Dünnes Buch, starker Inhalt

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Das Cover von, Die Treppe aus Papier" von Henrik Szántó besticht zuerst durch dessen wunderschöne farbige Gestaltung. Dem Leser wird ein kleiner Einblick in eine Wohnung gewährt. Der Klappentext ließ mich aufhorchen, denn er verspricht eine Geschichte, die aus der Sicht eines alten Hauses geschrieben wird - was für eine grandiose Idee und einfach meisterhaft umgesetzt. Das Haus hat in mehr als einhundert Jahren viele Bewohner kommen und gehen sehen und erzählt aus deren Leben. Die Protagonistinnen sind die sechzehnjährige Nele, die sich im Geschichtsunterricht schwertut und die neunzigjährige Irma, die schon als Kind in diesem Haus gewohnt hat und die Tochter nationalsozialistisch geprägter Eltern war. Irma lässt das junge Mädchen an ihren Erinnerungen und ihrem Wissen teilhaben und Neles Interesse wird schnell geweckt. Plötzlich ist Geschichte greifbar, fesselnd und beängstigend zugleich. Die Erzählung wechselt ständig in ihren Zeitebenen, aber das macht auch die längst verstorbenen Personen wieder lebendig. Mir ist es schon immer so ergangen, dass ich mich oftmals gefragt habe, was Häusermauern für Geheimnisse bewahren, welche Menschen in den Gebäuden gelacht, geliebt und gelebt haben und wie wir doch alle miteinander verbunden sind. Der Autor stellt alles in den Schatten was ich in der letzten Zeit gelesen habe. Der Sprachstil ist einfach brillant, intelligent, manchmal sogar humorvoll und zeugt von einer einzigartigen Beobachtungsgabe und Rhetorik. Was ist die Vergangenheit, was ist die Gegenwart, was ist wenn sich beides vermischt? Die Sätze sind oftmals sehr lang und verschachtelt, trotzdem ist das Buch nicht anstrengend zu lesen. Aber, es fordert einen und verlangt dem Leser einiges ab. Nur knapp über 200 Seiten stark, musste ich immer wieder innehalten und die Erzählung schrittchenweise "sacken lassen". "Treppe aus Papier" sollte eine Pflichtlektüre in den Schulen werden, es ist sehr lehrreich, sehr deutlich, sehr aufwühlend und
sehr einfühlsam geschrieben. Zudem ein großartiges Stück Zeitgeschichte. Wäre es möglich, dann würde ich mehr als fünf Sterne vergeben. Ich werde sie auf jeden Fall oftmals verschenken, diese literarische Perle unter den Neuerscheinungen.