Poetische Moralgeschichte
Die 15-jährige Nele wohnt mit ihren Eltern im vierten Stock eines alten Mehrfamilienhauses, das einst das Eigentum des Juden Alwin Sternheim war. Durch mehrere Zeitschichten erzählt das Haus die Geschichten und Schicksale seiner Bewohner*innen. Durch den Geschichtsunterricht und die Begegnung mit der 90-jährigen Irma, beginnt Nele die Rolle der eigenen Großeltern im Nationalsozialismus zu recherchieren und zu hinterfragen.
Der Schreibstil ist ungewöhnlich poetisch für einen Roman, was mir gut gefallen hat. Die Geschichte wird mit zahlreichen Perspektivwechseln, Zeitsprüngen und Überlagerungen erzählt, was beim Lesen fast filmische Szenen entstehen lässt.
Inhaltlich hätte ich mir für die Erzählung mehr Dichte gewünscht. Auf (gerade einmal) 220 Seiten treten zahlreiche Charaktere auf und Nebenhandlungen werden in die Geschichte eingewoben. Die eigentliche Botschaft und der Kern der Erzählung, der Holocaust und die Erinnerungskultur in deutschen Familien wird dadurch leider verwässert.
Ich hatte beim Lesen auch das Gefühl, die Charaktere sind an vielen Stellen nicht glaubwürdig. Die Protagonistin Nele ist meines Erachtens gut gelungen, in ihrem Handeln und Denken jedoch etwas zu erwachsen für ihr Alter. Und warum sollten die Mittelstands-Eltern von Nele so gereizt auf die kritischen Fragen ihrer Tochter reagieren? Vielleicht hat der Autor mit seinen Figuren zu hartnäckig versucht, keinem erdenklichen Stereotyp zu entsprechen. Nele die in ein Mädchen aus ihrer Klasse verliebt ist. Ein geläuterter Ex-Rassist-Polizist. Eine bereuende Denunziantin. Eine sehr diverse Hausgemeinschaft. Verdrängende und leugnende deutsche Boomer, die sich durch die kritischen Fragen ihrer Tochter persönlich angegriffen fühlen.
Zusammenfassend frage ich mich ein wenig, wer die Zielgruppe des Romans ist. Für eine kritische Leser*innenschaft geht mir die Handlung zu wenig in die Tiefe. Für Jugendliche wird zu viel aus der Sich von Erwachsenen geschrieben. Es schleicht sich der Verdacht ein, es soll bei diesem Buch jede*r zufriedengestellt werden, was jedoch ein sehr moralischer Subtext entwickelt. Wie Max Czollek in „Versöhnungstheater“ angemerkt hat: „Die Menschen lieben tote Juden und Jüdinnen – und diejenigen, die hoffnungsvolle und versöhnliche Geschichten erzählen können“. Vielleicht kann man hinzufügen: Menschen lieben tote Nazis und Denunziant*innen – und diejenigen, die geläuterte und bereuende Geschichten erzählen können.
Für mich werden im Roman zahlreiche wichtige Aspekte angesprochen, jedoch nicht bis zu Ende gebracht. Das Konzept und die Sprache finde ich sehr gelungen, mir jedoch etwas zu verzeihend und zu lose.
Der Schreibstil ist ungewöhnlich poetisch für einen Roman, was mir gut gefallen hat. Die Geschichte wird mit zahlreichen Perspektivwechseln, Zeitsprüngen und Überlagerungen erzählt, was beim Lesen fast filmische Szenen entstehen lässt.
Inhaltlich hätte ich mir für die Erzählung mehr Dichte gewünscht. Auf (gerade einmal) 220 Seiten treten zahlreiche Charaktere auf und Nebenhandlungen werden in die Geschichte eingewoben. Die eigentliche Botschaft und der Kern der Erzählung, der Holocaust und die Erinnerungskultur in deutschen Familien wird dadurch leider verwässert.
Ich hatte beim Lesen auch das Gefühl, die Charaktere sind an vielen Stellen nicht glaubwürdig. Die Protagonistin Nele ist meines Erachtens gut gelungen, in ihrem Handeln und Denken jedoch etwas zu erwachsen für ihr Alter. Und warum sollten die Mittelstands-Eltern von Nele so gereizt auf die kritischen Fragen ihrer Tochter reagieren? Vielleicht hat der Autor mit seinen Figuren zu hartnäckig versucht, keinem erdenklichen Stereotyp zu entsprechen. Nele die in ein Mädchen aus ihrer Klasse verliebt ist. Ein geläuterter Ex-Rassist-Polizist. Eine bereuende Denunziantin. Eine sehr diverse Hausgemeinschaft. Verdrängende und leugnende deutsche Boomer, die sich durch die kritischen Fragen ihrer Tochter persönlich angegriffen fühlen.
Zusammenfassend frage ich mich ein wenig, wer die Zielgruppe des Romans ist. Für eine kritische Leser*innenschaft geht mir die Handlung zu wenig in die Tiefe. Für Jugendliche wird zu viel aus der Sich von Erwachsenen geschrieben. Es schleicht sich der Verdacht ein, es soll bei diesem Buch jede*r zufriedengestellt werden, was jedoch ein sehr moralischer Subtext entwickelt. Wie Max Czollek in „Versöhnungstheater“ angemerkt hat: „Die Menschen lieben tote Juden und Jüdinnen – und diejenigen, die hoffnungsvolle und versöhnliche Geschichten erzählen können“. Vielleicht kann man hinzufügen: Menschen lieben tote Nazis und Denunziant*innen – und diejenigen, die geläuterte und bereuende Geschichten erzählen können.
Für mich werden im Roman zahlreiche wichtige Aspekte angesprochen, jedoch nicht bis zu Ende gebracht. Das Konzept und die Sprache finde ich sehr gelungen, mir jedoch etwas zu verzeihend und zu lose.