Schockierende Jagd über die Seiten

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kkruse Avatar

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Atemlos habe ich da Buch nach der letzten Seite zugeschlagen und war schockiert von diesem kraftvollen Roman. Gaea Schoeters stellt moralische Fragen über die Würde des Menschenlebens vor allem im Kontext der Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents auf bewegende Weise, die in dieser Intensität seinesgleichen sucht.
Der reiche Amerikaner Hunter White geht regelmäßig in Afrika auf legale Trophäenjagd und redet sich ein gutes Gewissen ein, da er durch sein Geld den Schutz der wilden Tiere in den Reservaten fördere, wo sie vor Wilderern geschützt sind. Gleichzeitig können die Mitglieder der heimischen afrikanischen Stämme dort leben, doch für van Heeren, den Reservatbesitzer und Hunters Jagdleiter, sind sie mehr als nur Teil der afrikanischen Kulisse: er unterbreitet Hunter ein schockierendes, unmoralisches Jagdangebot, das über die Grenzen des Menschlichen hinausgeht…
Obwohl der Roman am Ende so ein gewaltiges Tempo aufnimmt, habe ich dennoch etwas Anlaufzeit gebraucht, da die Jagdszenen auf verschiedene Tiere sehr detailliert und teilweise minutiös geschildert werden, was auf Dauer langweilig werden kann. Die Jagd ist wirklich das zentrale Thema und der Fokus der Handlung, wobei die Autorin ethische Fragen zu mehreren Themen aufwirft. Da wären z.B. die Moral der Jagd, Kolonialismus und die Dominanz der Weißen, Pantheismus der Naturvölker oder Respekt vor der Natur, in der Mensch, Fauna und Flora Eins sind. Was unterscheidet überhaupt den Menschen vom Tier?
Ebenso detailliert beschreibt Gaea Schoeters die Wildnis Afrikas. Es entsteht der Eindruck, dass sie ihr Setting gut kennt und sie schafft es, mit Worten ein intensives Bild der afrikanischen Savanne vor dem inneren Auge der Leser zu erschaffen. Jedoch kann ich selbst nicht beurteilen, wie authentisch diese Bild ist, da ich noch nie in Afrika war, oder ob die Autorin hier eine westliche Perspektive bei der Beschreibung einnimmt. Jedenfalls hat mir der Roman den Blick in eine neue Welt eröffnet, da ich vorher nicht viel über die Kultur und das Jagdverhalten der afrikanischen Naturvölker wusste.
Der Roman weist eine steile Spannungskurve auf. Während das erste Kapitel der Exposition eines Dramas gleicht und im zweiten Kapitel sich die Handlung langsam entwickelt, beginnt im dritten Abschnitt die entscheidende Jagd und endet als Höhepunkt mit einem Abschuss. Aber erst dann im vierten Kapitel nimmt die Handlung so richtig Fahrt auf und die atemlose Jagd um Leben und Tod über die Seiten beginnt. Dabei ist man als Leser ganz nah im Kopf des Protagonisten und spürt seine zum Zerreißen gespannten Nerven selbst beim Lesen. Die Atmosphäre wird in diesem Teil des Buches deutlich dramatischer und dunkler. Im letzten Kapitel wird die bedrohliche Situation mit besonders grausamen Bildern beschrieben, was sicher nicht für jedermann leicht zu verkraften ist und mich atemlos zurückgelassen hat. Stilistisch unterstreicht die Autorin diese Hetzjagd durch ein Satzstakkato, das die Leser von Seite zu Seite treibt. Deswegen hat es sich gelohnt, den etwas lahmenden Anfang durchzuhalten und weiterzulesen, denn „Trophäe“ ist thematisch aufrüttelnd und in seiner Drastik provokativ, sodass es mich erschüttert und zum Nachdenken über die aufgeworfenen, moralischen Fragen gebracht hat.
Zuletzt sei bemerkt, dass der Roman auch literarisch sehr interessant ist, da die Autorin auf andere Werke wie „Heart of Darkness“ oder die Jagdliteratur von Ernest Hemingway verweist. Da lohnt sich sicher noch das Querlesen!