eines meiner Jahreshighlights 2020

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malo2105 Avatar

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Manchmal kommt ein Buch genau zum richtigen Zeitpunkt, es erfüllt alle gesetzten Erwartungen, berührt das Herz und den Verstand. Und genau so ein Buch ist „Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück“, der Debütroman von Lilly Bernstein die unteren anderen Namen bereits veröffentlicht hat. Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann.
Dass sie einer Bäckerfamilie entstammt und auf ihre Familiengeschichte zurückgreift, bemerkt man den Roman deutlich an.
Köln, 1941. Anna wächst bei ihrer Tante Marie und ihrem Onkel Matthias auf, einem Bäckerehepaar. Anna liebt die Bäckerei über alles, sie ist für das Mädchen der schönste Ort der Welt. Doch als Matthias eingezogen und Bäckerei bei einen Luftangriff zerstört wird, ändert sich das Leben vollkommen. Nun bestimmt der tägliche Kampf gegen Hunger und Kälte den Alltag. Im Hungerwinter 46/47 schließt sich Anna einer Schwarzmarktband an und versucht mit ihren neuen Freunden die schlimmste Not zu lindern. Dabei steigt sie zur gewieftesten Kohlediebin der Stadt auf. Und in ihrer größten Not verliebt sie sich. Von Kälte, Hunger und Neidern bedroht, halten Anna und ihre Tante verzweifelt an dem Traum fest, die Bäckerei wiederaufzubauen. Und an der Hoffnung, dass die Männer, die sie lieben, irgendwann zu ihnen zurückkehren.
Aus heutiger Sicht ist es kaum vorstellbar in welcher Not die Menschen damals überleben mussten. Kein Dach über den Kopf, immer frieren, nie genug zu essen, der Tod ein ständiger Begleiter. Und doch geben sie nie auf, halten an der Hoffnung auf ein besseres Leben und ein wenig Glück fest. Anna und Marie stehen hier stellvertretend für eine ganze Generation Mädchen und Frauen. Und beide sind mir sehr ans Herz gewachsen. Gerade Anna, die unter diesen erbärmlichen Umständen heranwächst, hat mein Herz im Sturm erobert. Sie hätte ich sehr gern oft in den Arm genommen um sie zu trösten und zu beschützen, habe sie aber auch für ihren Mut, der manchmal aus Verzweiflung erwuchs, bewundert.
Auch Marie mochte ich sehr. Sie hat in Matthias ihre große Liebe und in der Bäckerei ihre Erfüllung gefunden. Dann steht sie vor dem Nichts, muss zusehen, woher sie was zu essen auftreibt und verzichtet selbst. Doch ihren Traum, die Bäckerei wieder aufzubauen, verliert sie trotz zahlreichen Tiefschläge nie aus den Augen.
Die Autorin schreibt mit so viel Empathie und voller Emotionen, dass man als Leser das Gefühl hat, selbst dabei zu sein, während man doch eigentlich zu Hause eingekuschelt auf der Couch liegt. Der Duft von frisch gebackenen Brot und Brötchen steigt einen in die Nase, genauso wie man an die Füße friert, weil es keine vernünftigen Schuhe gibt. Man erlebt mit Anna und Marie die Bombennächte im Bunker und spürt förmlich die Angst und die Verzweiflung. Aber auch in der größten Not gibt es Hoffnung und Lichtblicke des Glücks.
Für mich ist dieser Roman rundum stimmig, das Cover hätte man nicht treffender gestalten können. „Trümmermädchen“ wird mit Sicherheit zu meinen Jahreshighlights 2020 zählen.
Eine ganz klare Leseempfehlung verbunden mit fünf hochverdienten Sternen und den Wunsch nach mehr aus der Feder von Lilly Bernstein.