lehrreiches Jahreshighlight

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moongirl Avatar

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Tuberkulose ist die tödlichste Infektionskrankheit der Welt – und trotzdem spricht kaum jemand darüber. Genau das will John Green ändern. In seinem Buch Tuberkulose gelingt es ihm auf eindrucksvolle Weise, Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das viele längst für erledigt halten. Man denkt immer, Tuberkulose gehöre der Vergangenheit an, aber sie ist präsenter denn je. „Nichts ist so privilegiert wie die Annahme, die Geschichte wäre Vergangenheit.“
Mit einer starken Mischung aus Faktenwissen, historischen Einblicken und persönlichen Geschichten bringt Green Licht in ein komplexes und oft übersehenes Thema. Statt mit trockenen Zahlen zu langweilen, erzählt er bewegend, klug und auf Augenhöhe. Im Zentrum stehen Menschen, keine Statistiken – etwa Henry aus Sierra Leone und seine Mutter, deren Geschichte sich durch mehrere Kapitel zieht und die drastisch zeigt, was es heißt, arm und krank zu sein.
Das Buch macht wütend. Wütend auf die Welt, auf das kaputte Gesundheitssystem und auf das ungerechte Machtverhältnis zwischen arm und reich. Denn: Nur wer reich ist, kann sich Gesundheit leisten. „{…} weil das Heilmittel da ist, wo die Krankheit nicht ist, und die Krankheit da ist, wo das Heilmittel nicht ist.“
Aber trotz allem gibt das Buch auch Hoffnung. Green schafft es, das Thema mit großer Menschlichkeit zu erzählen, mit Anteilnahme und Feingefühl – und ohne dabei zu verharmlosen. Er zeigt, wie sehr unsere Welt bis heute durch Tuberkulose geprägt ist. Erstaunlich: Im Laufe der Jahre und bis heute gibt es viele Alltagsdinge, die sich (unbewusst) durch Tuberkulose verändert haben – zum Beispiel, dass 1916 der Bartwuchs gegen die Glattrasur getauscht wurde, aus Angst vor Keimen.
Green verknüpft Medizin, Geschichte und Gesellschaftskritik, zeigt Zusammenhänge mit Kolonialismus, Kapitalismus und unserem Schönheitsideal – und erinnert auch daran, wer alles an Tuberkulose gestorben ist: Rembrandt, Edgar Allan Poe, alle drei Brontë-Schwestern, Franz Kafka.
Ein aufrüttelndes, kluges und emotionales Buch, das den Blick auf unsere Welt verändert. Eine klare Leseempfehlung – nicht nur für Fans von John Green, sondern für alle, die sich für Gerechtigkeit interessieren.