Warum alles mit Tuberkulose zusammen hängt

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janeycooper Avatar

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Dass alles mit Tuberkulose zusammenhängt und Tuberkulose mit allem zusammenhängt, hat John Green wahrlich unter Beweis gestellt.
„Tuberkulose – Es ist Zeit, die tödlichste Infektion der Welt zu besiegen“ von John Green konnte mich vollauf überzeugen. Bei der Natur des Themas klingt es komisch, von  „begeistern“ zu sprechen, aber das Engagement des Autors ist beeindruckend. Auf gerade einmal ca. 200 Seiten verwebt er historische, medizinische, gesellschaftliche, kulturelle und sprachliche Fakten, ohne je langweilig zu werden. So fühlt es sich z. B. ein bisschen wie ein Krimi an, wenn Green davon erzählt, was Sir Arthur Conan Doyle und Robert Koch miteinander zu tun hatten. Auch zahlreiche andere Schriftsteller*innen finden Erwähnung, da Tuberkulose lange Zeit als Krankheit der Poeten galt. Romantisierung und Stigmatisierung der Krankheit gingen oft Hand in Hand. Wie die Krankheit die Körper der Betroffenen auszehrt, schwinden lässt (deshalb hieß es früher auch Schwindsucht) hatte auch großen Einfluss auf Schönheitsideale. Würde ich versuchen, bildlich darzustellen, wie Tuberkulose mit gefühlt allen Lebensbereichen in Verbindung steht, würde ich aussehen wie dieses Pinnwand-Meme. John Green gelingt das fließend und klar nachvollziehbar.
Des Weiteren zeigt der Autor auf, welche Nebeneffekte die Krankheit und Nebenwirkungen die Behandlung mit sich brachten und teilweise heute noch mit sich bringen. Dinge wie Stigma, Armut, Hunger oder Einsamkeit sind nicht nur für sich betrachtet Probleme, die Art wie sie miteinander in Wechselwirkung treten, kann dazu führen, dass Behandlungen abgebrochen werden, was wiederum zu Resistenzen gegen Antibiotika führen kann. Was das gerade in ärmeren Ländern bedeutet, erklärt er anhand mehrerer Beispiele gut verständlich. Dabei hat er gleichzeitig den einzelnen Menschen und „das große Ganze“ im Blick.   
Green zeigt auf so vielen Ebenen Zusammenhänge auf, dass man das Thema nochmal ganz anders, tiefer verstehen kann, selbst wenn viele der einzelnen Fakten bereits vorher kannte. Mitunter bezieht der Autor sich auch auf die Lebensgeschichten einzelner an Tuberkulose erkrankter Menschen, wie etwa einem Jungen aus Sierra Leone oder eine Aktivistin aus Indien. Dabei bleibt er stets respektvoll, ohne künstliches Drama aufzubauschen. Mit den Tränen kämpfen musste ich dennoch mehrmals. Wie soll man auch nicht emotional werden, wenn Menschen leiden und womöglich sterben, weil sie keinen Zugang zu existierenden Medikamenten haben? Die sog. „sozialen Determinanten der Gesundheit“ wie z. B. Ernährungssicherheit, Rassismus oder Zugang zu sauberem Wasser sind untrennbar mit den medizinischen Aspekten der Krankheit verbunden. Deshalb ist Tuberkulose die tödlichste Infektionskrankheit der Welt, obwohl es seit über einem halben Jahrhundert heilbar ist. Dabei zeigt Green plausibel auf, wie das beendet werden könnte. Und so gibt er einem neben einer gehörigen Prise Weltschmerz und Wut über Ungerechtigkeiten auch ordentlich Hoffnung mit.