Bildgewaltig

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annago Avatar

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Über allen Bergen von Valentine Goby ist ein eindringlicher und poetischer Roman, der das Leben eines zwölfjährigen Jungen im Frankreich des Jahres 1943 schildert. Vadim Pavlevitsch, Sohn einer russisch-jüdischen Familie, wird aus dem besetzten Paris in ein kleines Dorf in den französischen Alpen geschickt, um dort in Sicherheit zu sein. Im Dorf bekommt er den Namen Vincent und wird fernab von Fliegeralarm und den Schrecken des Krieges mit einer völlig neuen Welt konfrontiert.

Das Leben in der Abgeschiedenheit und die majestätischen Berge beeindrucken den Jungen tief. Die Natur, die klare Bergluft und die verschneite Landschaft bieten ihm zwar einen Schutzraum, doch auch hier lauern Gefahren – sei es durch die winterliche Kälte oder die unausgesprochene Bedrohung durch den Krieg. Goby beschreibt diese Welt mit einer bemerkenswerten Liebe fürs Detail. Man spürt förmlich die klirrende Kälte, riecht die Wälder und sieht die Berge vor sich. Die Jahreszeiten prägen das Leben in diesem kleinen Dorf, das weit entfernt scheint von der Hektik und den Sorgen der Großstadt – und doch nie ganz frei von der Realität des Krieges ist.

Was diesen Roman so besonders macht, ist die Art, wie Valentine Goby die Gefühle und Eindrücke des Jungen einfängt. Vadims Perspektive ist von einer kindlichen Ehrlichkeit und Neugier geprägt, die einen als Leser mitten in seine Welt zieht.

Das Ende des Romans ist offen und lässt Raum für Interpretation. Es gibt keine klare Auflösung, keine einfache Antwort. Stattdessen bleibt man mit dem Eindruck zurück, dass das Leben – so wie der Schnee, der die Landschaft bedeckt – oft ungewiss und verschleiert bleibt. Man kann nur hoffen, dass sich unter dieser Decke etwas Hoffnungsvolles verbirgt.

Über allen Bergen ist ein bildgewaltiger Roman, der einen tief bewegt. Die Liebe zur Natur, die Goby in ihren Beschreibungen einfängt, und die intensiven Einblicke in Vadims Gedankenwelt machen das Buch zu einer besonderen Leseerfahrung. Es ist keine leichte Kost, aber eine, die lange nachhallt. Ein Werk, das die Schönheit und Härte des Lebens gleichermaßen zeigt und vor allem durch seine Atmosphäre besticht.