Ungeklärte Schicksale

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
buchdoktor Avatar

Von

Bei Bauarbeiten für ein Gewerbegebiet werden im fiktiven Altbruck im Aushub Knochen von zwei Personen gefunden. Die unvollständigen Skelette müssen rund 70 Jahre im Boden gelegen haben und wären eher ein Fall für die forensische Anthropologie. Doch Gina Angelucci, frisch aus der Elternzeit zurück und inzwischen für ungelöste Altfälle zuständig, übernimmt den Fall. Dass Angehörige Vermisster endlich Gewissheit erhalten, ist der Münchener Ermittlerin ein Anliegen, seit in ihrer Jugend eine Freundin verschwand und nie gefunden werden konnte. Eine Isotopenanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass eine der toten Personen aus dem Baltikum stammte, die andere aus dem Ort. In unmittelbarer Nähe einer ehemaligen Heeresmunitionsanstalt liegt es nahe, dass die Tote dort vor 1945 als Zwangsarbeiterin eingesetzt war. Wo sind die restlichen Knochen, wie starben die Personen und in welcher Beziehung standen sie zueinander, fragt sich Angelucci nun. Mit der Recherche 70 Jahre zurück liegender Ereignisse muss nicht nur Gina sich beeilen; die wenigen Zeitzeugen haben nicht mehr lange zu leben.

Gina sticht mit ihren Ermittlungen in ein Wespennest. In Altbruck wurde die Geschichte des Zwangsarbeiterlagers bisher offensichtlich nicht aufgearbeitet und die Eröffnung des Gewerbegebietes scheint den beteiligten Unternehmen dringender zu sein als alles andere. Ihre Ermittlungen über den jungen Benedikt führen Gina in einen seit Generationen verfeindeten Familienclan. Wer profitiert bis heute vom ungeklärten Tod des jungen Mannes, fragt man sich hier als Leser.

Erzählt wird die Geschichte eines realen Knochenfundes mit fiktiven Personen am fiktiven Ort in mehreren Handlungssträngen und in Rückblicken ins Jahr 1944. (Vorbild für die Munitionsfabrik war laut Autorin die Heeresmunitionsanstalt Hohenbrunn.) Wer die junge Zwangsarbeiterin ist und wie sie nach Altbruck gelangte, wissen Leser des Romans bald. Die Handlung bis zur Überführung des Täters fand ich von diesem Punkt an historisch interessant, aber für einen Krimi wenig spannend. Das Zusammenführen aller Handlungsfäden zu einer plausiblen Lösung zeigt anrührend, wie Jahrzehnte zurückliegende Vermisstenfälle bis heute in die betroffenen Familien wirken und wie wichtig deshalb die Klärung dieser Schicksale ist. Dass Tino aus seiner Elternzeit mit Tochter Chiara bereits seine Fühler nach einer Stelle bei der Kripo ausstreckt, lässt hoffen, dass es mit Tino und Gina in irgendeiner Form weitergehen wird ...