Feministische Gesellschaftskritik

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„Dieser Moment könnte ein Ende sein oder ein Anfang.“ (308)

Und dieser Roman ist Teil des Anfangs.

Erzählen hat die Kraft, zu zeigen wie es sein könnte - und wie es ist. Und genau das gelingt Mareike Fallwickl in ihrem vierten Roman „Und alle so still“.
Denn - was würde passieren, wenn all jene, die Care-Arbeit leisten, ihre Arbeit niederlegen würden?

Mit großer Empathie zeichnet Fallwickel die drei Hauptfiguren Elin, Ruth und Nuri.
Hier die Influencerin , da eine Pflegekraft und einer, der im Prekariat zu überleben versucht. Allen ist gemeinsam, dass sie die verschiedenen Seiten der Unsichtbarkeit von Care-Arbeit, die Ausbeutungsmechanismen und patriarchalen Strukturen sichtbar machen.

Atmosphärisch dicht und mit großer Gabe Szenen zu entwerfen, zeigt der Roman, was passiert, wenn keine Care-Arbeit geleistet wird. Die Frauen legen sich hin, sie legen ihre Arbeit nieder - und sind dabei alle so still. Denn der Applaus am Balkon allerorts ist längst verstummt und alle sind nun still, wenn es um die Anerkennung und Aufwertung geht - ob bezahlter oder unbezahlter Care-Arbeit.

Erzählt abwechselnd aus der Perspektive der drei Protagonist:innen entwickelt der Roman eine große Spannung. Die Zwischenkapitel, in denen Gebärmutter, Pistole und Berichterstattung zu Wort kommen, verfehlen ihre Wirkung nicht.

Dieser Roman hat eine Agenda, denn er zeigt nicht nur die Wichtigkeit von Care-Arbeit, sondern stellt auch jene in den Mittelpunkt, die sonst nicht gesehen werden. Die Frauen in diesem Roman sind erschöpft - vom Entsprechen, vom Kümmern, vom Sorgen, vom Funktionieren. Wenn im Roman Gewalt die Reaktion auf die Verweigerung der Frauen ist, macht dies die gesellschaftlichen Strukturen sichtbar - und ist vielleicht gar nicht so weit von der Realität entfernt.

Aber es geht nicht nur um Gesellschaftskritik und das Aufzeigen von Missständen, vielmehr ist der Roman eine Hymne auf Solidarität, auf Schwesternschaft, auf Menschlichkeit - und darauf für andere da zu sein.

„Nichts kann eine so unerschütterliche Sicherheit vermitteln und das Wissen, dass alles gut wird, wie die sanften, bestärkenden Hände anderer Menschen.“ (363)

Auch Literatur kann das.
Und dieser Roman erst recht.

Absolute Leseempfehlung!