Was wäre wenn

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Mareike Fallwickl nimmt die LeserInnen mit zu einem großartigen Experiment: Stell Dir vor, alle erschöpften Frauen legen sich zeitgleich, ohne ein Wort zu sagen, auf die Straße und erledigen nicht mehr das, was “die Gesellschaft” von ihnen erwartet. “Und alle sind so still”.
Die drei Hauptfiguren Elin, Ruth und Nuri sind scharfsinnig, aber voller Güte und Verständnis gezeichnet: durch anfänglich unsichtbare Fäden miteinander verbunden, jede Figur durch Ereignisse, die sie selbst nicht oder nur bedingt beeinflussen konnte, geknickt, fast gebrochen. Aber eben nur fast! Wir begleiten die 3 durch ihren manchmal unerträglichen Alltag und können uns gleichzeitig hinterfragen, wie wir InfluencerInnen, KrankenpflegerInnen oder Hilfskräfte, Menschen mit Migrationshintergrund (an)sehen. Wir begleiten sie während 8 Tagen durch eine turbulente Umsturzzeit, teilen ihre Selbsterkenntnis, ihre Erschöpfung, ihren Ekel, ihre Verzweiflung … und ihre Hoffnung. Wir sehen ihre Ausgrenzung, die alltägliche Gewalt, den Verlust. Wir sehen aber auch ihre Emanzipation, ihre Befreiung.
Wie die Haupt- sind auch die Nebencharakter stimmig, geben den Geschichten der Protagonisten Sinn und Tiefe. Einzig die vielen Namen von Personen, die den Verlauf der Geschichte nur wenig beeinflussen, haben das Lesevergnügen beeinträchtigt. Ich verstehe, dass die Autorin den Frauen des Romans Namen gegeben hat, um die Wichtigkeit jeder Einzelnen von ihnen zu unterstreichen. Ich war allerdings manchmal überfordert, da viele von diesen Namen sich sehr ähnlich sind und ich doch öfters auch meine Notizen zurückgreifen musste, um den Faden nicht zu verlieren.
Mareike Fallwinkl zeigt realistisch, aber sehr poetisch, mit wunderbar bildlichen Wortkreationen, dass wir wissen, dass wir so nicht weitermachen können und dass, auch wenn (fast) nur die Frauen sich gegen das System auflehnen, wir doch als Menschen gemeinsam das System ändern müssen, um aus der Spirale von Gewalt und Unterdrückung auszubrechen.
Ein Schmankerl sind die (von mir sogenannten) Zwischenkapitel von Pistole, Gebärmutter und Berichterstattung. Zynisch, amüsant und informativ.
Alles in allem hat mir das Buch ausgezeichnet gefallen, wäre ich Buchkritikerin würde ich das Prädikat “absolut lesenswert” vergeben.