Leben bis zuletzt

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kainundabel Avatar

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Fred Wiener, der Langweiler, von seinen Kollegen Wienerwürstchen genannt, trifft nach seiner Ausbildung zum Sterbebegleiter auf die todkranke Karla - und gleich prallen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Da ist der übergewichtige alleinerziehende Vierzigjährige, der seinem Leben durch ein Ehrenamt einen tieferen Sinn geben will, und Karla, die um ihre äußerst begrenzte Lebenszeit weiß, alle bisherigen Elisabeth-Kübler-Ross-Phasen des Sterbens durchlitten hat und sich in der letzten Phase, die der Zustimmung, befindet. Auf den ersten Blick wirkt sie allzu tough, zynisch, fast schon aggressiv gegenüber Fred, der sich ihr als erste „Klientin“ aus besten Motiven heraus und mit viel Empathie, wenn auch zunächst sehr unsicher, nähert. Sie redet mit ihm Tacheles und zeigt ihm ganz klar seine Grenzen auf – und diese Grenzen bestimmt ausschließlich sie selbst. Die nicht spannungsfreie erste Begegnung der beiden erzählt Suzann Pásztor mit viel Liebe zum Detail und einem Einfühlungsvermögen, das sie auch im weiteren Verlauf des Romans konsequent unter Beweis stellt. Die Authentizität beziehen Personen und Handlung wohl nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Autorin selbst eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin absolviert hat und in diesem sensiblen Bereich seit Jahren tätig ist. Erzählerisch dicht, immer nah an ihren Personen (Warum habe ich mir Supervisionen immer genau so vorgestellt?), der Umgang mit Sterben und Leben bis zuletzt, das sind die Pluspunkte dieses Romans. Dem Konflikt zwischen Klara und ihrer Schwester Gudrun, die seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr haben, steht die Entwicklung der Vater-Sohn-Beziehung zwischen Fred und Phil gegenüber. Der Dreizehnjährige wird phasenweise zur einzigen Kontakt- und Vertrauensperson der Todkranken. Die zweifellos berührendsten Passagen des Buches sind Phils „Rap für Oma“ (als Synonym für Karla und ihr Sterben aus der offenen und ehrlichen Sicht eines Jugendlichen) und die zärtliche Begegnung zwischen Fred und Karla („Ich bitte Sie darum, mich zu berühren.“), als sie ihm anvertraut, den Prozess des Sterbens beschleunigen zu wollen. Einfach wunderbare, unvergessliche Lesemomente! Der Roman ist eine gelungene Mischung zwischen der Ernsthaftigkeit von Tod und Sterbebegleitung, der trotz allem greifbaren Heiterkeit und Bejahung des Lebens, getragen von Empathie und leisen Zwischentönen, glaubwürdigen Charakteren und vielen anrührenden Momenten.