Der Traum von der Freiheit

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melange Avatar

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Zum Inhalt:
Nachdem ihre Mutter 1975 nach Deutschland ausgewandert ist, um dort zu heiraten, träumt Anelija von diesem Land, das für sie Freiheit bedeutet. Nachdem sie selber die Flucht wagt und in München studiert, lernt sie Enno kennen und lieben und erzählt ihm von ihrem Leben dort.

Mein Eindruck:
Die Geschichte Bulgariens anhand von Einzelschicksalen zu erzählen, ist der Autorin überaus gelungen. Man erfährt viel über die Gedanken der damaligen politischen Führung, des einfachen Bauernvolkes und der Kritiker, die selbst im Ausland noch gejagt werden. Auch die ständige Furcht vor Bespitzelung, die vor Haustüren nicht halt macht und zu Verhaftung und Folter führen kann, ist ausdrucksstark beschrieben und geht an Herz und Nieren.
Es berührt, zu lesen, wie sich die Oma und Uroma Anelijas durchschlagen müssen, dass es Frondienste in den Ferien gab, die gute von schlechten Kindern unterscheiden sollten und diese an den Rand ihrer Leidensfähigkeit brachten und wie die geflohenen Kritiker in Angst und Schrecken vor Mordanschlägen sich trotzdem nicht mundtot zeigten.
Dagegen fallen die Erlebnisse in Deutschland – dem gelobten Land in weiß und Farbe – leider ein wenig ab. Möglicherweise jedoch auch, weil dieses für den Lesenden „normal“ erscheint und die Faszination von Toilettenpapier und Einkaufsmeilen schwer nachvollziehbar ist.
Die Grundidee des Buches – das Zeigen der Verhältnisse vor der demokratischen Revolution im Ostblock und damit Bulgariens – bietet eine völlig andere Welt als die des in Demokratie und luxuriösem Selbstverständnis schwelgenden Westeuropäers. Und auch wenn nicht alles eitel Sonnenschein ist (man betrachte den wiehernden Amtsschimmel bei Anelijas Einreise), sollte man ein wenig demütig das Haupt senken und sein Glück zu schätzen wissen, wenn man ohne nachzudenken mehrlagiges Papier auf einer Toilette mit Spülung benutzt.

Fazit:
Ein Blick in eine unbekannte Welt, die weder zeitlich noch räumlich so weit weg ist oder war.

4 Sterne