Tolles Buch über die Wirtschaftswunderzeit

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daniunddieschmöker Avatar

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Das Buch spielt in der eher jüngeren Geschichte Deutschlands, das Jahrzehnt nach dem 2. Weltkrieg, der Zeit des Wiederaufbaus, des wachsenden Wohlstands und der Verarbeitung der Kriegsgeschehnisse. An drei Schauplätzen Hamburg, Köln und San Remo spielen drei miteinander verwobene Familiengeschichten, die vor allem durch die Darstellung einzelnen Charaktere aus verschiedenen Generationen und Nationalitäten sehr lebendig wird. Alle sind in irgendeiner Weise Opfer des Kriegsgeschehens. Doch bis auf die jungen Männer (der Deutsche Joachim, der Engländer Vinton, der Belgier Jeff oder Pips in Italien) im Buch, die auf verschiedenen Seiten des Krieges schlimmste Erfahrungen wie Gefangenschaft, Verlust geliebter Menschen und Kriegstraumata gemacht haben, sind alle anderen irgendwie glimpflich davon gekommen. Es ist keine Geschichte der Täter, keiner der älteren Protagonisten war selbst echter Nazi oder Mitläufer, alle waren eher kulturaffine Feingeister, gutbürgerlich und gebildet. Man wollte irgendwie durchkommen ohne aufzufallen. Dass das vielleicht nicht gereicht hat und auch moralisch falsch war, beschäftigt die Akteure und zieht sich immer wieder an verschiedenen Beispielen durch das Buch. Die Autorin springt relativ schnell durch die Jahre und durch die verschiedenen Schauplätze. Gerade zum Ende des Buches erscheint es fast etwas stakkatohaft, wie eine Zeittafel im Geschichtsbuch. Man hätte sich gerade bei gesellschaftskritischen Themen etwas mehr Tiefgang und Hintergrund gewünscht, so viele Themen, die es wert gewesen wären genauer beleuchtet zu werden. Z. B Rolle der Frau, Moralvorstellungen, Traumaerfahrungen, Verdrängung und Aufarbeitung, Beutekunstverbrechen, Entnazifierung, Homosexualität usw. Vieles zu oberflächlich und angedeutet. Zu klischeehaft und auch zu langatmig war mir dagegen die Beschreibung der italienischen Seite, zu viel Geschreibe über die Nonnas als unangefochtene Familienoberhäupter. Auch Essen und Trinken zu sehr im Mittelpunkt. Ich hatte zeitweise das Gefühl, als ob Teile des Buches von unterschiedlichen Autoren geschrieben wurden. Der Clifhanger am Ende kam zu überstürzt. Alles in allem aber doch sehr unterhaltsam und zeitgeschichtlich durchaus interessant.