Bedrückend und aufwühlend

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
alice pleasance Avatar

Von

Mir fällt es sehr schwer, den Debütroman von Lize Spit zu bewerten, aber letztendlich habe ich mich dazu entschlossen, ihm fünf Sterne zu geben. Wieso ich mich damit aber so schwer getan habe, will ich nun erklären.

Eva ist seit dreizehn Jahren nicht in ihrem Heimatdorf gewesen. Nun will sie auf Einladung einer ihrer ältesten Freunde dorthin zurück. Schon auf den ersten Seiten ahnt man, dass es Gründe für ihre lange Abwesenheit gegeben haben muss, doch lange Zeit bleibt der Leser im Dunkeln.

Ich-Erzählerin Eva berichtet, wie sie sich mit einem Eisblock im Kofferraum auf den Weg zur Party macht. Dies ist die Rahmenhandlung in der Gegenwart, doch wirklich interessant sind die Erzählungen aus ihrer Kindheit und Jugend. Während sie unterwegs ist, erinnert sie sich zurück und lässt den Leser auf eindringliche Weise an allem teilhaben, was ihr damals widerfahren ist. Dabei ist die Erzählung nicht immer chronologisch, so dass man aufpassen und immer wieder einordnen muss, was zuvor geschehen ist und wo die fragmentierten Erinnerungen jeweils anknüpfen.

Vor allem zu Beginn führt diese Erzählweise dazu, dass man nicht weiß, worauf die Geschichte hinausläuft und wie man das Erzählte einordnen soll. Einen Hinweis darauf, dass etwas Schlimmes bevorsteht, liefert jedoch der Schreibstil. Nüchtern und kalt, ja fast gefühllos, wird die Geschichte erzählt und schafft damit eine düstere Atmosphäre. Während des gesamten Buchs - und auch noch nachdem ich es beendet hatte - ist diese bedrückende Stimmung nicht von mir gewichen.

Inhaltlich will ich gar nicht so viel verraten. Erwähnen möchte ich aber, dass zum einen die prekären Verhältnisse in Evas Familie eine Rolle spielen sowie ihre Freundschaft mit Pim und Laurens, die alles andere als gesund ist. Es werden also einige schwierige und schwer auszuhaltende Themen behandelt, so dass ich eine Trigger Warnung bei diesem Buch tatsächlich angebracht fände.

Eva ist eine unnahbare Protagonistin, obwohl aus ihrer Perspektive erzählt wird. Diese Distanz, die dem Schreibstil zu verdanken ist, hat mir jedoch das Lesen erleichtert. Trotzdem hatte ich Mitgefühl - meist eher Mitleid - mit ihr und nicht wenige Male hätte ich sie am liebsten geschüttelt, weil sie so vieles einfach mitmacht und über sich ergehen lässt. Lediglich im Umgang mit ihrer kleinen Schwester bzw. dann, wenn sie rückblickend von ihr erzählt, werden ihre Gefühle etwas deutlicher. Das Verhältnis der Schwestern ist nämlich von Liebe, Mitgefühl und Fürsorge geprägt und gehört damit - trotz aller Schwierigkeiten - zu den weniger düsteren Aspekten in Evas Kindheit und Jugend.

Sprachlich hat mich das Debüt von Lize Spit begeistert und auch inhaltlich gibt der Roman wie versprochen viel. Er verlangt dem Leser aber auch einiges ab. Wenn man das aushalten kann, wird man mit einer Geschichte belohnt, die bedrückt, aufwühlt, schockiert, aber auch nachdenklich macht, weil sie den Leser aus seiner Komfortzone holt.

Ich kann das Buch also nicht uneingeschränkt empfehlen, weshalb ich mir nicht sicher war, wie viele Sterne ich ihm geben soll. Doch davon abgesehen verdient es aus all den genannten Gründen die höchste Bewertung.