Schonungslos, aufwühlend und hart - zu hart!

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Inhalt
Eva fährt mit einem Eisblock im Auto nach Bovenmeer, einem kleinen belgischen Dorf, in dem sie ihre Kindheit verlebt hat. Während dieser Fahrt erinnert sie sich an den Sommer im Jahr 2002, in dem etwas Furchtbares geschehen ist. In diesem Sommer spielt sie mit ihren besten Freunden Pim und Laurens ein perfides Spiel, in dem sie Mitschülerinnen ein Rätsel aufgibt, das unlösbar zu sein scheint. Doch was als Spiel beginnt, nimmt einen dramatischen Verlauf …

Meine Meinung
"Und es schmilzt" ist das Debüt von Lize Spit, welches mit den Worten " Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt" beworben wird. Kritiker überschlugen sich mit Lobeshymnen und die junge Autorin gewann mit ihrem Roman zahlreiche Literaturpreise.

Neugierig geworden musste ich den Roman unbedingt lesen und nun da ich es getan habe, bleibe ich mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits komme ich nicht umhin, mich in die Lobeshymen einzureihen, denn Lize Spit hat mich an ihre Geschichte gefesselt, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt habe. Ihre Handlung übt eine Sogwirkung aus, der ich mich nicht entziehen konnte und die über 500 Seiten so in meiner persönlichen Rekordzeit gelesen habe. Ich konnte einfach nicht aufhören. Auch, weil ich mich beim Lesen nicht wirklich wohl gefühlt habe und diese Unwohlsein ganz schnell wieder loswerden wollte. Gerade die letzten 100 Seiten sind hart, kompromisslos und aufwühlend. Die Autorin verschont weder ihre Figuren noch den Leser. Er wird in die Handlung hineingezogen, die – ja, ich kann es nicht anders sagen – weh tut. Es tut weh zu sehen, wie Eva und ihre Geschwister aufwachsen mussten und ja, es tut weh zu sehen wie ein Spiel dermaßen eskalieren konnte.

Eine zentrale Bedeutung hat der Eisblock, den Eva im Kofferraum dabei hat, als sie nach Hause fährt. Immer wieder fragt man sich, was es damit auf sich hat und auch wenn man schon im ersten Drittel der Geschichte eine Ahnung hat, so ist der wahre Grund dennoch überraschend und schockierend zugleich.

Über den Inhalt selber möchte ich gar nicht so viel schreiben. Nur so viel: Eva wächst in sehr schwierigen Verhältnissen auf. Ihre Eltern sind Alkoholiker, die jüngere Schwester psychisch krank. All dem kann sie nur durch ihre Freunde Pim und Laurens zeitweise entfliehen. So ist es nur wenig verwunderlich, dass sie sich bei einem Spiel zur Komplizin machen lässt, welches ihr Unbehagen bereitet. Eva und auch ihre Geschwister stehen sinnbildlich für den Satz, den man immer mal wieder hört "er/sie hatte nie eine echte Chance".

Und so bleibe ich zurück – wie bereits erwähnt – mit gemischten Gefühlen. "Und es schmilzt" ist eine wirklich grandios erzählte Geschichte, aber auch eine bei der ich mich frage, ob es wirklich nötig ist so brutal und schonungslos zu sein. Gibt es nur diese Art, um in unserer abgestumpften Gesellschaft aufzurütteln und zu berühren? Ich möchte das nicht glauben. Nicht nur, weil ich diese Härte nicht brauche, um zu verstehen, was der Autor mir sagen möchte, sondern weil ich mir auch nicht vorstellen mag, dass irgendein Mensch diese Härte braucht, um zu verstehen, was Lize Spit uns sagen will.

Fazit
"Und es schmilzt" ist schonungslos, aufwühlend, hart und spannend geschrieben. Ein Debüt, das wohl niemanden kalt lassen wird. Dennoch kann ich nicht die volle Punktzahl vergeben, da das Buch für mich bei all dem Lob eine Grenze dessen überschreitet, was ich an Härte lesen kann und möchte.