Einfühlsam auf Opferseite, aber auch spannender Thriller

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annajo Avatar

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Reeve LeClaire ist 22 Jahre alt. Als Jugendliche wurde sie entführt und mehrere Jahre lang festgehalten und missbraucht. Nun passiert das Gleiche in einem anderen Bundesstaat. Von drei verschwundenen Mädchen kann plötzlich eines lebend gerettet werden. Tilly ist schwer traumatisiert und so wird Reeve gebeten, ihr zur Seite zu stehen, vor allem aber mehr über das Geschehene herauszufinden. Die Jagd auf den Täter beginnt und Reeve befindet sich bald stärker in seinem Visier als ihr lieb ist ...

"Und nachts die Angst" thematisiert Verbrechen, die in den letzten Jahren viel Medienaufmerksamkeit erhalten haben. Deutschen wird sofort der Fall von Natascha Kampusch gegenwärtig sein. Aber auch in Amerika wurden erst dieses Jahr drei junge Frauen nach 10 Jahren Vermisstsein lebend befreit. Was diese Frauen durchgemacht haben und wie sie zukünftig damit umgehen, kann man sich gar nicht vorstellen. Carla Norton versucht es in ihrem Thriller und meiner Meinung nach ist ihr das sehr einfühlsam gelungen. Die Thrillerqualitäten bleiben dabei vielleicht etwas auf der Strecke, aber dafür geht es hier weniger darum, die Psyche des Täters zu ergründen, als vielmehr die der Opfer zu verstehen. Der Missbrauch der Opfer wird dabei nicht unnötig voyeuristisch und blutrünstig ausgewälzt, sondern versteckt sich meist hinter Andeutungen. Die wenigen direkt geschilderten Ereignisse lassen einen aber trotzdem zusammenzucken.
Die Perspektive wechselt zwischen Reeve und dem Täter namens Duke und selten auch einem der Opfer. Dabei ist relativ zeitig klar, wer der Täter ist und man beobachtet eher das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, während man hofft, dass sie noch rechtzeitig dahinterkommen.
Kleine Kritikpunkte sind, dass Reeve als Zivilistin beginnt, die Arbeit der etwas unfähigen Ermittlungsbehörden zu machen, wobei ich mich fragte, warum die zahlreichen Ermittler der Sonderkommission, Polizei und des FBI nicht selbst die entsprechenden Einfälle hatten. Eine recht überzeugende Erklärung ist, dass Reeve aus eigener Erfahrung weiß, welche Bedingungen ein solcher Täter braucht. Ebenfalls etwas unrealistisch türmen sich zum Ende hin (mal wieder!) die Leichen und es kommt zu einem recht klassischen Showdown.

Insofern bringt dieser Thriller auch nichts Neues, insgesamt habe ich ihn aber gern gelesen, weil er trotzdem spannend war und einfühlsam die Sicht der Opfer darstellte, was ich für dieses Genre endlich einmal angemessen finde. Das Buch ist auf jeden Fall empfehlenswert.