Entführt

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waterlilly Avatar

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Entführungsgeschichten gruseln und fesseln mich gleichermaßen. So zog Carla Nortons Thriller „Und nachts die Angst“ meine Aufmerksamkeit auf sich.

Nach 4 Jahren der Gefangenschaft erhält die zu dem Zeitpunkt 16-jährige Reeve durch einen Autounfall ihres Entführers ihre Freiheit zurück.
Sechs Jahre später befindet sie sich noch immer in psychiatrischer Behandlung und versucht, ihre grauenhafte Vergangenheit zu bewältigen. Die traumatischen Ereignisse hinter sich zu lassen erscheinen ihr wie ein unüberbrückbares Hindernis. Als ihr Psychologe Dr. Lehrner sie bittet, ein soeben frei gekommenes Entführungsopfer zu treffen und dem Mädchen beratend zur Seite zu stehen befindet sie sich in einem emotionalen Konflikt. Soll sie sich wirklich mit dem Schrecken eines Verbrechens befassen, welches der Tat, der sie selbst zum Opfer fiel so sehr ähnelt?

Reeve entscheidet sich dafür und plötzlich merkt sie, dass sie bei weitem stärker ist, als sie bislang angenommen hat. Sie beginnt, über sich hinaus zu wachsen und die Tatsache, dass noch weitere Mädchen als vermisst gelten, treibt sie an, die Identität des Verbrechers zu ermitteln und für Gerechtigkeit zu sorgen.

Carla Norton hat einen angenehmen und fesselnden Schreibstil, durch den es mir von Anfang an gelang in den Thriller einzutauchen.
Reeve ist eine sympathische junge Frau, die man gerne kennen lernen möchte. Sie beeindruckt durch ihren starken Charakter, den sie trotz ihrer schrecklichen Vergangenheit entwickelt hat. Ihre Beweggründe der junge Tilly zur Seite zu stehen sind selbstlos und es ist für den Leser nachvollziehbar warum sie sich so sehr mit dem Fall identifiziert und helfen möchte. Leider lässt Carla Norton die Hilfsbereitschaft ihrer Protagonistin etwas zu sehr über die Stränge schlagen. Es erscheint mir doch ein wenig weit her geholt, dass sich ein traumatisierter Mensch, der sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet, Gefahrensituationen aussetzt, die ein neues Verbrechen an der eigenen Person nahezu herausfordern.

Auch mit dem Psychiater Dr. Lehrner und dem Polizisten Nick Hudson hat die Autorin sympathische Charaktere gezeichnet. Weniger anfreunden konnte ich mich mit dem zweiten Entführungsopfer Tilly, deren Verhalten mir teilweise arrogant und egoistisch erschien.

Obwohl die Identität des Entführers schon relativ früh für mich feststand, tat dies der Spannung keinen Abbruch. Ich fieberte mit und hoffte, dass sich für die gefangen Mädchen alles zum Guten wenden wird.

Alles in allem ist „Und nachts die Angst“ ein fesselnder Krimi, der sich ohne Langeweile lesen lässt.