Spannend, dennoch etwas vorhersehbar

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malibu Avatar

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Es verschwinden so viele Mädchen und tauchen nie wieder auf, entweder abgehauen, ermordet oder gefangengehalten bis zum Tode. Im Thriller von Carla Norton haben wir es mit einem Opfer zu tun, welches eine Entführung überlebt hat mit 12 Jahren. 10 Jahre später wird sie selbst zur Hilfe herbeigezogen zu einem gleichen Fall.

Reeve wurde mit 12 Jahren befreit aus einer Entführung. Sie war unter der Gewalt eines gewaltvollen Entführers, der sie jahrelang vergewaltigte und missbrauchte. Durch einen Zufall, einen Unfall, hat man sie gefunden und gerettet. Ihr Peiniger sitzt seitdem in einer geschlossenen Anstalt. Nun sind 10 Jahre vergangen und die Entführungen scheinen sich an anderen Mädchen zu wiederholen – aber ein anderer Täter. Reeves Psychologe Dr. Lerner bittet sie, ihm bei dem Fall eines geretteten Mädchens zu helfen, da ihre Eltern darum baten. Reeve, selbst noch nicht geheilt, willigt ein und begibt sich bald auf eigene Faust auf die Suche nach dem Mörder und der restlichen entführten Mädchen.

Der Thriller packt einen gleich zu Anfang. Man hat Mitleid mit Reeve, die um jede Ecke linst, bevor sie irgendwo hingeht. Sie ist schwach und dennoch stark, hat sie doch einiges schon durchgemacht. Durch die Gespräche mit Dr. Lerner wächst sie und wird erwachsen, aber immer auf der Hut. Es ist überraschend, dass sie dem einwilligt, hier zu helfen. Sie wird in einen Strudel Erinnerungen gefangen und neuer Erkenntnisse, der Fall nimmt sie ganz ein.

Wer hier der Täter ist, bzw. wo er hingehört, hat man gleich einmal herausgefunden. Ich glaube, es ist hier auch nicht so wichtig, diesen zu verschleiern. In diesem Roman geht es um den Hintergrund der Tat und wie sich alles zusammenfügt. Leider sind hier jedoch manchmal unlogische Schlussfolgerungen, die den Lesegenuss stoppen.

So ist Reeve, die zuvor genau in die Opferrolle passt, auf einmal sehr mutig und wagt sich einiges, was man ihr gar nicht zugetraut hätte. Irgendwie scheint dies ungläubig rüberzukommen und verwirrt den Leser etwas. So etwas kann man doch nicht gleich abwerfen und sich dem Täter auf dem Silbertablett präsentieren. Hier scheint es jedoch zu gehen. Auch ihre abenteuerlichen Routen und die Situationen sind fast bei den Haaren herbeigezogen – dennoch ist es Fiktion, könnte aber durchaus auch etwas wahres sein.

Der Schreibstil ist gut gewählt, die Spannung ist ebenso enthalten. Die Autorin packt den Leser, indem sie immer wieder neue Fäden zieht, welche aber leider ungläubig erscheinen durch unbedachte und verwirrende Handlungen der Protagonistin. Man vermag sie oftmals nicht einordnen zu können, sie scheint viele charakterlichen Abwandlungen zu haben. Es kommt einem oft vor, als hätte man zweierlei Personen vor sich.

Die Ermittlungen sind dennoch sehr spannend und man verfolgt mit Erstaunen den Schritten der Justiz, der Familien und auch Reeves Schlüsse. Man versucht sich die Gedankengänge des Täters vorzustellen, wie krank muss man eigentlich sein? Was bewegt ihn dazu und hat er denn überhaupt kein Gewissen? Der Mann scheint alles auf die leichte Schulter zu nehmen, da muss doch irgendwas schiefgehen – denkt man....

Ist es nicht auch ungewöhnlich, dass ein Opfer einem anderen frisch geretteten Opfer helfen sollte? Das wühlt doch nur wieder alles auf, eigentlich müsste die Justiz so etwas verhindern. Es verwundert einen umso mehr, wie tief sich Reeve hier reinhängt, wo sie zuvor noch so verängstigt war und einen geregelten Ablauf ihrer Umwelt hatte. Sogar den Namen hatte sie geändert und nun stellt sie alles auf die Probe, könnte alles verlieren – auch ihr Leben.

Durch die vielen unlogischen Schlüsse und Verwirrungen der Handlungsweisen trübt es hier etwas das Leseverhalten, welches durchaus gegeben wäre. Trotzdem hält die Spannung einen auf Trab und man möchte unbedingt zum Schluss gelangen, um zu erfahren, wo das Motiv liegt und wie es endet.

Wer etwas Spannung zwischendurch braucht und sich in einen brisanten Fall einklinken möchte, ist hier bestens bedient – man sollte jedoch nicht allzu tief graben in den Weiten der Logik. Zum Abschalten kann man die Lektüre nicht nehmen, denn es ist ein Spießrutenlauf gegen die Zeit und es jagt einem doch etwas Gänsehaut über den Rücken, wenn man sich bewusst macht, dass dies nicht nur Fiktion sein kann.