Ein magischer Freiheitskampf – erschütternd, brutal und mit einem Funken Hoffnung

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Cora ist als Sklavin geboren. Alles, was sie kennt, ist Gewalt und Angst, denn so herrschen die Gebrüder Randall über die Baumwollplantage, auf der Cora geboren und aufgewachsen ist.
Als der junge Sklave Caesar Cora bittet, mit ihm zu fliehen, tut er das nur, weil er sie als einen Glücksbringer betrachtet, da ist sich Cora sicher. Den vor vielen Jahren ist ihre Mutter Mabel geflohen – und nie mehr zurückgeholt worden.
Doch noch schlimmer, als auf der Baumwollplantage zu leben, ist zu fliehen und gefunden zu werden und so weist Cora ihn anfangs zurück.
Irgendwann gibt Cora jedoch nach und in einer mondlosen Nacht fliehen sie von der Farm – und folgen dem Ruf der Freiheit der Underground Railroad, wobei sie sich beide nicht sicher sind, ob diese nicht nur ein Märchen ist: eine Untergrund-Eisenbahn, gebaut von Sklaven und geschützt von wenigen Weißen, nur dazu da, Sklaven wie Cora und Caesar ein neues Leben in dem Teil Amerikas zu ermöglichen, das sich langsam vom Rassismus entfernt. Doch mit der Flucht allein ist es nicht getan, denn die weißen Plantagenbesitzer senden Sklavenfänger auf ausgelaufene Schwarze an und so können Cora und Caesar nur hoffen, irgendwann einen sicheren Hafen zu erreichen.

Underground Railroad basiert nicht auf unserer Geschichte – das sollte man auf jeden Fall wissen.
Colson Whitehead mischt hier die grausame Realität der Sklaverei mit ein wenig Phantasie in Form der Underground Railorad. Während des Romans begleiten wir zum größten Teil Cora, die eine starke, aber auch dem Leser gegenüber sehr verschlossene junge Frau ist. Starke Gefühle, auch im Angesicht des Grauens, das ihr widerfährt, zeigt sie kaum. Doch dadurch kann der Leser immer noch ein wenig Distanz wahren zwischen der angenehmen Couch-Realität und dem unbeschreiblichen Leben der Sklaverei, das mich abwechselnd erschüttert und wütend gemacht hat. Denn mit nur wenigen Worten schafft Whitehead eine solche Stimmung, wie ich sie selten in Romanen gelesen haben, ohne dabei jedoch die Schwere des Schicksals auf den Schultern des Lesers abzuladen.

Leider – ach, es zerreißt mich fast – muss ich jedoch sagen, dass das letzte Drittel sich ein wenig gezogen hat, denn Coras Leidensweg ist zwar immer spannend und der Perspektivwechsel zwischen ihr und dem Sklavenjäger und dem Arzt äußerst gelungen – dadurch erfahren wir ein wenig mehr von der Welt, in der wir Cora folgen -, doch gegen Ende ließ die Stärke ein wenig nach. Woran das lag, kann ich nicht wirklich benennen – vielleicht gefielen mir ihre Begleiter zu diesem Zeitpunkt nicht besonders, vielleicht lag es an der Örtlichkeit -, doch davon abgesehen war dieses Buch großartig.


Mein erstes Buch von Whitehead (Die Nickel-Boys) hat mich absolut umgehauen, denn entgegen meiner Erwartung schwingt Whitehead nie die Moralkeule – trotz des Rassismus‘, der Sklaverei und der Unterdrückung. Denn überall sind auch gute weiße Menschen – in Underground Railroad zwar wenige, aber auch sie riskieren ihr Leben um die Welt ein bisschen besser zu machen. Und das hat mich so hoffnungsvoll gemacht, dass Whitehead zu meiner Entdeckung des Jahres 2019 mutiert ist, denn er schafft es, derartig schwere Themen so umzusetzen, dass man sich als Weißer nicht schlecht fühlt.


Trotz des kleinen Durchhängers am Ende, kann ich nur sagen:
Leute, lest Whitehead. Dieser Mann ist der Wahnsinn.