Wichtige Worte

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meike Avatar

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Mit „Ungezähmt“ gibt Glennon Doyle Einblicke in ihren Lebensweg, raus aus ihrem „Käfig“ hin zu einem selbstbestimmten, freien Leben. Die sich als roter Faden durch das Buch ziehende Botschaft lautet dabei: Man muss sich immer das für sich persönlich schönste Leben vorstellen – und daran arbeiten, dass dieses Wirklichkeit wird, auch wenn man dafür bisherige Vorstellungen von sich und der Welt aushebeln muss. So macht sie deutlich: „Mein Ziel lautet nicht, zu bleiben, wie ich bin, sondern so zu leben, dass jeder Tag, jedes Jahr, jeder Moment, jede Beziehung, jedes Gespräch und jede Krise der Stoff sein kann, aus dem ich eine wahrhaftigere, schönere Version meiner selbst erschaffen kann. [...] Ich werde an keiner einzigen bestehenden Vorstellung, Meinung, Identität, Geschichte oder Beziehung festhalten, die mich daran hindert, neu zu entstehen.“ (S. 90). Nur so kann man Glennon zufolge ein wirklich freies, selbstbestimmtes und erfüllendes Leben führen. Sie selbst hat das durch ihre Empathie, ihren Mut und den festen Glauben an sich selbst und ihr „inneres Wissen“ erreicht.

Glennon erzählt in diesem Buch auch vom Scheitern, von Tiefpunkten in ihrem Leben, von psychischen Problemen und Sucht. Sie hat selbst viel durchgemacht, neben einer jahrelangen Bulimie und Drogenproblemen ist sie seit ihrer ersten Schwangerschaft abstinent. Wirklich glücklich war sie jedoch weiterhin nicht. Schließlich hat sie sich nach mehreren Ehejahren und drei Kindern Hals über Kopf in eine Frau verliebt – und sich entschlossen, mit dieser ein neues Leben anzufangen.

An manchen Stellen ist dieses Buch etwas wiederholend. So werden wichtige Botschaften oft mehrmals in sehr ähnlicher Form wiederholt. Das ist teilweise etwas redundant bis nervig, gleichzeitig bleiben sie so aber umso eindringlicher hängen. Alle Subjekte sind – nach Absprache mit Übersetzerin und Lektorin - in weiblicher Form gehalten. Selbst von Gott spricht Glennon in weiblicher Form (was sie in einem Kapitel auch kurz begründet) und insgesamt ist das Buch sehr stark auf Frauen ausgelegt. Eigentlich schade, da die hier angesprochenen Themen sicherlich auch für Männer interessant wären – schließlich sind sie von der gesellschaftlichen Konditionierung ebenso betroffen wie Frauen. Schön finde ich, dass sie diese Thematik zumindest in einem Kapitel aufgegriffen hat.

Glennon versucht nicht, den Leserinnen (und vielleicht auch dem einen oder anderen Leser?) ihre Meinung aufzuzwingen, sondern zeigt vielmehr anhand anschaulicher Beispiele aus ihrem Leben - oder dem von Frauen, die sie um Rat gefragt haben – wie häufig man sich selbst vernachlässigt, um den Erwartungen der Außenwelt gerecht zu werden. Sie zeigt, wie mit verschiedenen Herausforderungen umgegangen werden kann und regt dadurch zum Reflektieren eigener großer wie kleiner Lebensentscheidungen an. Sie ist dabei offen und ehrlich, gleichzeitig sehr lustig – und mir nach ein paar Seiten total ans Herz gewachsen. Es ist mir am Ende des Buches wirklich schwergefallen, von ihr und ihrer Familie Abschied nehmen zu müssen. Auch wenn ich Glennon nicht in jedem Punkt zustimme – ihre recht bedingungslose Zustimmung zu Antidepressiva und Medikamenten generell halte ich beispielsweise für diskutabel – und manche Dinge eher typisch US-amerikanisch sind, so fand ich die Lektüre dennoch sehr bereichernd und inspirierend. Eine klare Leseempfehlung!