Sprachmagie! - Dieser Roman ist pure Verführung

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wolke44 Avatar

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Was für ein wunderschönes Buch! Ich habe es schon vor einigen Tagen beendet, aber ich erhole mich noch davon ...

Ich bin ehrlich froh, dass ich es über vorablesen.de lesen durfte, denn ich fürchte, ich wäre im Laden einfach daran vorüber gegangen und hätte damit einen der sprachschönsten und sinnlichsten Romane verpasst, die ich je gelesen habe. Eines kann ich schon mal sagen: „Uns gehört die Nacht“ ist mein bisheriges Jahreshighlight. Ich muss unbedingt schauen, was diese Autorin noch geschrieben hat. – Ich hoffe sehr, dass mein Lese-Eindruck andere LeserInnen auf dieses zauberhafte Buch aufmerksam macht.

Aber zurück zum Anfang – was ist das für ein Buch, worum geht’s überhaupt? Es ist ein Liebesroman. Ein erotischer Liebesroman? Ja, auch, aber vor allem ein spracherotisches Kunstwerk. Solltet ihr es lesen? Ja, unbedingt!

Dabei ist die Geschichte, die der Roman erzählt, überhaupt nicht originell und zudem driftet sie in den Kitsch: Junges, ungebildetes Mädchen aus der Unterschicht verliebt sich in reichen, gutaussehenden Yale-Studenten, Millionärserbe. Klingt schrecklich? Sag ich doch!

Aber.
Großes Aber!
Abgesehen davon, dass das Buch die Nicht-Originalität des Plots an manchen Stellen tatsächlich überraschend aufbricht (der Knick am Ende hat mir z.B. ausgesprochen gut gefallen), sollte man bei diesem Buch nicht so sehr davon reden, was es erzählt (Liebe, ja, Liebe, nur Liebe und nichts als Liebe), sondern wie es diese Liebe erzählt. Denn das ist es, was dieses Buch außergewöhnlich, aufregend und extrem besonders macht.

Jardine Libaire ist eine Jongleurin, eine exzellente Tänzerin, eine Akrobatin der Worte, Stimmungen und Atmosphären. Ja, sie erzählt vielleicht keine außergewöhnliche Geschichte, aber die Art ihres Erzählens ist außergewöhnlich. Zärtlich. Direkt. Atemberaubend.

Sie schafft es, in dieser kleinen Geschichte ein so großes Feuer zu legen, dass man stellenweise vor Ehrfurcht zurückweicht. Dabei mag die Geschichte zuweilen wirklich kitschig sein, die Sprache ist es nicht. Sie ist ehrlich, poetisch und auf originelle Weise romantisch.

Was mich übrigens sehr fasziniert hat: wie Jardine es schafft, zugleich sexuell-explizit und doch derart exquisit zu erzählen. Ich halte das für eine hohe Kunst, einen ungeheuren Spagat, der ihr so gut gelingt, dass ich mich verbeugen möchte. Sie vermag es, über Sex und Erotik einerseits nackt und geradeaus und andererseits in einer so faszinierend schönen Sprache zu erzählen, dass man am Ende staunt, was für deutliche Sexszenen man da gerade gelesen hat. Ich war an keiner Stelle abgestoßen oder peinlich berührt – egal, wie deutlich es zur Sache ging – ich war nur fasziniert und bezaubert von dieser Verführungskraft des Buchs.

Die Stärke der Sprachschönheit und -sinnlichkeit erinnert mich an Siri Hustvedt in „Die Verzauberung der Lily Dahl“, aber Jardine ist expliziter und geht weiter.

Ausgesprochen gut gefiel mir übrigens der Knick am Ende der Geschichte, den ich inhaltlich natürlich nicht preisgebe, nur soviel: Er hebt das Buch in meinen Augen inhaltlich entscheidend an, weil er den Kitsch aufbricht. Ich hätte es dem Buch zugetraut, an dieser Stelle zu enden – so wie eine große Liebe ja erfahrungsgemäß am Zenit enden sollte, um eben groß zu bleiben. Wie „Uns gehört die Nacht“ mit diesem Problem umgeht, verrate ich nicht, aber ich möchte diesen Roman allen, die romantische, sinnliche und mit einer großen Sprachmagie geschriebene Bücher mögen, ans Herz lesen. Lest das Buch – es lohnt sich über alle Maßen!

Ich vergebe mit Ehrfurcht fünf von fünf Sternen.