Das bislang beste Jugendbuch, das ich jemals lesen durfte!

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Unsichtbar ist man nur, wenn die anderen einem dabei helfen.
Die Geschichte vom Jungen, den niemand lieb hatte

„Ein Wort, das mein Leben umkrempelte: NEIN! Dieses „nein“ würde mir Probleme bereiten.
„Warum lässt du es dir wegnehmen? fragte sie mich, fragten mich manche meiner Mitschüler.
„Warum helft ihr mir nicht?“ dachte ich. (Der Junge)

Der spanische Bestsellerautor Eloy Moreno erzählt die Geschichte eines Jungen, der bis zur letzten Buchseite namenlos bleiben wird. Ein Junge, dessen schulische Leistungen herausragend sind, der zwei seiner Mitschüler zu seinen langjährigen Freunden zählt. Besagter Junge begeht jedoch eines Tages einen folgenschweren Fehler: er wagt es, einem beliebten, faulen, aber auch äußerst gewaltbereiten und daher gefürchteten Mitschüler, etwas zu verweigern. Von diesem Moment an ändert sich das Leben des Jungen drastisch. Denn die nun entstandene Atmosphäre der Angst ist der Nährboden für Menschen wie seinen Peiniger, der in seinem ganzen Leben noch niemals ein „Nein“ akzeptieren musste, der die Schwäche von anderen braucht, um seine eigene Stärke zu beweisen.

Mit seinem Roman „Unsichtbar“ beschreibt der Autor den Leidensweg dieses namenlosen Jungen und gewährt dabei ungewöhnlich tiefe und erschütternde Einblicke ins Innere eines Mobbingopfers, aber auch in jenes seines Peinigers sowie der Menschen in seinem Umfeld, die entweder wegesehen, oder tatenlos zusehen. Der Autor besitzt einen ganz eigenwilligen, intensiven Schreibstil, der mir mit fortschreitender Lektüre immer mehr ans Herz wuchs und mir bis zuletzt bereits herausragend gut gefallen hat. In einer saloppen, der jugendlichen Zielgruppe angepassten Sprache beschreibt Eloy Moreno, wie einem ganz normalen, unauffälligen Jungen mit hervorragenden schulischen Leistungen gezielt die Selbstachtung genommen wird und niemand eingreift. Als die Trauer, die Angst, all die unterdrückte Wut und das Leid des Jungen diesen zu überwältigen drohen, entwickelt er Schutzmechanismen, die letztendlich dazu führen, dass seine Lebensfreude erlischt. Zuletzt nimmt ihn niemand mehr zur Kenntnis, es scheint, als gäbe es ihn nicht mehr – der Junge ist für seine Mitmenschen tatsächlich „unsichtbar“ geworden.

Der durchgehend hohe Spannungsbogen ist zwangsläufig bedingt durch das aufwühlende Thema dieses Buches. Man fragt sich: „Was muss denn noch alles passieren, bis endlich irgendjemand etwas unternimmt? Was kommt als Nächstes?“ Der Autor steuert zielstrebig auf ein explosives Finale zu, bei welchem man sich als Leser am liebsten in die Geschichte einbringen und aktiv eingreifen möchte.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren würde ich als brillant und ganz besonders intensiv bezeichnen. Eloy Moreno schafft es trotz kurzer Kapitel und laufendem Perspektivenwechsel, den Leser emotional ganz tief in die Gefühls- und Gedankenwelt seiner Figuren hineinzuversetzen – und zwar so sehr, dass ich es manchmal nicht einmal mehr schaffte, mich aus dem Buch, aus einer gewissen Szene, zu lösen.

Der Autor schildert die Sichtweise des Jungen, jenes seines Peinigers namens „MM“, das Gefühls- und Gedankenleben seiner besten Freunde „Kiri“ und „Zaro“ sowie das Verhalten des Lehrpersonals. Er beschreibt Reaktionen von Mitschülern, die sich vom Jungen abwenden und beim Mobbing entweder mitmachen, oder sich heraushalten, um sich selbst nicht zu schaden. Der Autor geht auch auf das familiäre Umfeld seines jugendlichen Protagonisten ein. Eloy Moreno vermittelt unglaublich starke Emotionen und versteht es, mit seinen Worten eine zunehmende Beklemmung zu erzeugen, die ab der Hälfte des Buches rasant zunimmt und einem schließlich beinahe den Atem nimmt. Dieses Buch hat mich auf einer Ebene berührt, wie es bislang selten ein Buch geschafft hat. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass es sich um eines der wichtigsten und besten Jugendbücher handelt, die ich kenne. Dieses Buch zeigt eine dunkle Seite der Menschheit auf und thematisiert das Motto: „Solange es mich nicht selbst betrifft, ist es nicht mein Problem.“

„Es ist seltsam und traurig, dass es in dieser Gesellschaft so viele Monster gibt, solche, die etwas tun, und solche, die zuschauen, solche die lachen, und solche, die ein Video davon aufnehmen…“

Fazit: „Unsichtbar“ war ein herausragendes, zutiefst beeindruckendes und hoch emotionales Leseerlebnis, das mich fassungslos machte, mich zu Tränen rührte und auch nach der letzten Seite gedanklich noch längere Zeit beschäftigen wird. Im Anhang findet man darüber hinaus eine Auflistung mit Fragen und Ratschlägen zum Thema Mobbing, die eine hervorragende Basis für Gespräche innerhalb einer Schule bzw. eines Klassenverbandes ist. „Unsichtbar“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein außergewöhnliches und erstklassiges Werk eines Autors, den man sich unbedingt merken sollte. Es hat meine an sich schon hohe Erwartungshaltung sogar noch bei weitem übertroffen und sollte meiner Ansicht nach unbedingt zur Pflichtlektüre jeder Schule zählen. Ich hoffe von Herzen, dass es von sehr vielen jungen Menschen wie auch Erwachsenen gelesen wird. Vielleicht geht man anschließend bewusster und aufmerksamer durch den Alltag, sieht bei Ungerechtigkeit nicht mehr weg und hält sich nicht mehr heraus, wenn Mitmenschen gedemütigt und schikaniert werden und ihnen letztendlich ihre Selbstachtung genommen wird.

Zu meinem großen Bedauern handelt es sich bei „Unsichtbar“ um das bislang einzige Buch von Eloy Moreno, das in deutscher Sprache erschienen ist. Sämtliche weitere Werke dieses vielversprechenden Autors gibt es ausschließlich im spanischen Original. Ich werde ihn jedoch ab sofort im Auge behalten und hoffe auf weitere Bücher wie dieses!

Völlig begeisterte fünf Sterne für dieses überwältigende Lese-Highlight und eine unbedingte Leseempfehlung!