realitätsnah und direkt

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zwergendruidin Avatar

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Ich habe dieses Buch einige Zeit vor mir hingeschoben. Die Leseprobe war in Ordnung, aber dort gefiel mir der Schreibstil nicht und ich wusste nun auch nicht so recht, ob ich einfach einer Mobbing Geschichte in der Schule von Beginn bis Ende folgen wollte.
Dann habe ich mich an einem Tag hingesetzt, dass Buch genommen und mir gesagt, dass es halt gelesen werden muss und es ja nicht so lang ist. Tatsächlich hat es eine Länge, die perfekt für die Erzählung der Geschehnisse ist. Der Schreibstil war für mich zu Beginn wieder etwas schwer, meist kurze knappe Sätze, nichts ausschweifendes, aber Seite für Seite kam ich besser damit zurecht und es wirkte wie ein Sog, der mich einfach immer weiterlesen ließ.
Die Geschichte zeigt dem Leser einen Fall von Mobbing in der Schule auf. Die dargestellten Figuren werden nur ab und an mit Namen benannt, manche werden gar nicht genannt. Oft werden sie durch Merkmale die sie ausmachen, sprachlich kenntlich gemacht wie z.B. 'Der Junge mit den neuneinhalb Fingern'. Mir fehlte dadurch irgendwie der tiefergehende Bezug zu den Charakteren. Es hätte wohl noch persönlich ergreifender werden können, wenn man die Personen mit Namen sichtbarer gemacht hätte. Vielleicht ist aber eben dies der Grund des Autors gewesen, es zu unterlassen.
Die Geschichte ist meiner Ansicht nach sehr offen, ehrlich, realitätsnah, nimmt kein Blatt vor den Mund und genau dadurch kann es, meiner Meinung nach, nicht nur teilweise brutal in seiner Darstellung wirken, sondern auch in seiner Auswirkung auf den Leser.
Phasenweise musste ich das Buch zur Seite legen, weil ich vor Tränen nichts sah. Es ist nicht nur die Geschichte, die hier exemplarisch wiedergegeben wird, sondern dass was es in einem selbst, egal welchen Part man aus der Geschichte vielleicht selbst einmal eingenommen hat, auslöst. Man kann sich mit in die Charaktere einfühlen und verstehen was sie handeln und auch nicht handeln lässt. Was nicht vergessen werden darf, meiner Meinung nach, ist die Tatsache, dass es Kinder und Erwachsene sind die Teil der Geschehnisse sind und diese durchaus unterschiedliche Verhaltensmuster, Erklärungsversuche, Bewältigungsstrategien, Lösungswege und Denkmuster haben. An sich ist dies auch bei Erwachsenen der Fall, jedoch wird in diesem Buch gut dargestellt, dass Kinder und auch Jugendliche, andere Schwerpunkte haben bzw. setzen.
Was dieses Buch wirklich sehr gut hervorhebt, ist der Umstand, dass man sich immer erst dann Zeit für die einem eigentlich wichtigen Dinge nimmt, wenn etwas (schlimmes) passiert ist. Im Buch wird von einem Kind an den Vater die Frage gestellt, warum dieser von der Arbeit nicht (spontan) frei nehmen darf, weil ein schöner Anlass aufgetreten ist, sondern immer nur dann, wenn z.B. jemand krank ist.

Insgesamt beleuchtet die Geschichte viele verschiedene Leben und verschafft einem Einblicke in verschiedene Köpfe und zeigt auf problematische und schwierige Arbeits- und Verhaltensweisen. Es gibt Einblicke in emotionale Instabilität und welche Gründe im Guten, wie im Schlechten vorliegen können und es zeigt, dass jeder Gründe hat und findet, um sein Verhalten zu rechtfertigen, aber eine Veränderung im Inneren nur schwer und besonders nicht nebenbei und mal eben so möglich ist. Es bedarf Zeit. Schlechte Angewohnheiten, die sich zu ausgearteten und vielleicht auch bösen Verhaltensweisen herausbilden, treten ebenso wenig urplötzlich auf, wie ein tief in sich ausgeglichener Charakter, der alles und jeden mit Respekt behandelt.
Das Buch zeigt deutlich mit dem Finger auf ein mangelhaftes System, auf eine mangelhafte Kommunikation und auf eine mangelhafte Fürsorge. Es ist nicht dazu gedacht, das große Ganze verändern zu wollen, weswegen dafür auch keine Lösungsvorschläge aufgezeigt werden, aber es zeigt, wie und wo man aufmerksamer sein sollte und in manchen Berufsgruppen und auch als Erziehungsberechtigter sein muss.