3 Frauen – 3 Leben

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ada2011 Avatar

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„Unter dem Moor“ hat mir sehr gut gefallen, war schnell und spannend zu lesen. Der Schreibstil ist flüssig und eindrucksvoll.
Nachdem ich geschaut habe, wo Tanja Weber geboren wurde und aufgewachsen ist – im damaligen Westberlin – ist das Buch okay, schlucke ich einige Ungereimtheiten, die die Zeit der DDR angehen. Aber eine Kritik kann ich mir nicht verkneifen.
Das 14-jährige Mädchen Gine war im Landjahr und an einem nebligen Tag, als ein Hirsch mit mächtigem Geweih aus dem Nebel trat und dann nahmen die Mädchen „die Köpfe weiterer Rehe“ wahr. Hier ist etwas sehr durcheinander geraten und ich verstehe nicht, dass dies beim Korrekturlesen nicht aufgefallen ist. Hirsche sind Hirsche und Rehwild ist Rehwild. Und letztendlich ist dann ja auch von Hirschkühen die Rede. Falls es zu diesem Buch eine nächste Auflage gibt, würde ich diesen kleinen Fehler empfehlen zu beseitigen.
Darüber hinaus erzählt dieses spannende Buch über das Leben von 3 Frauen, die in unterschiedlichen Epochen des 20./21. Jahrhunderts lebten bzw. leben.
Gine muss 1936 ein Jahr lang schuften auf einem Gut in Mecklenburg-Vorpommern am Stettiner Haff. Sie ist ein kluges Mädchen und ihre Eltern Künstler, die sich nicht anpassen wollen an das neue System des Adolf Hitler. Hier hat sie schreckliche Erlebnisse, aber auch schöne Augenblicke. Die dort gefeierte Sonnenwendfeier wird meiner Meinung nach zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt. Bereits die Kelten und die Germanen feierten diese Nacht als Beginn des Sommers. Nach der Christianisierung beging dann die Kirche den Tag des Hl. Johannes (Johannes der Täufer). Das bedeutet, dass ein ehemals heidnisches Fest umgedeutet wurde. Hierzu gibt es viele Abhandlungen. Wolf-Dieter Storl hat hier einige geschichtliche Erkenntnisse spannend zusammengetragen, die man in seinen Büchern nachlesen kann. Die braune Zeit hat sich dann lediglich einer alten Tradition bedient. Die Kirche hat die Menschen nicht satt gemacht, zu keiner Zeit. Es wundert also nicht, dass die Menschen alte vorchristliche Traditionen wieder aufleben lassen, die mit Sonne, Wachstum, Nahrung … zu tun haben. Deshalb sind nicht alle eines nazistischen Gedankenguts verhaftet.
Sigrun ist Anfang 20, mit Mann und Kind und wohnt um 1979/1980 in einer Kleinstadt am Haff. Letztendlich wohnt das Paar wie die meisten anderen damals. Sigrun hat eine Freundin – Christa. Christa fällt auf. Sie geht nicht arbeiten, macht auf Punk und beteiligt sich an Aktionen, die ihr vermutlich als gegen den Staat DDR gerichtet, ausgelegt werden. So richtig ins Detail geht die Autorin hier leider nicht. Deshalb verwundert es ein wenig, dass Christa von der Staatssicherheit abgeholt wird und nach Hoheneck überstellt wird, wo sie offensichtlich eine lange Zeit verbringen muss. Hätte man in der DDR jeden arbeitsfaulen Menschen mit bunten Haaren inhaftiert, wären mehr Verwahranstalten notwendig gewesen. Aber da hier ja Sigrun im Vordergrund steht und nicht Christa, wobei man die beiden jungen Frauen schlecht voneinander getrennt betrachten kann, wird hier nichts aufgedeckt. Für mich erschließt sich nicht, weshalb der Alltag in der ehemaligen DDR permanent grau und trübsinnig dargestellt wird. Die meisten Menschen hatten auch hier Spaß, schlugen mal über die Stränge, liebten und wurden geliebt und diskutierten nicht nur hinter vorgehaltener Hand und im Flüsterton. Das gab es auch, aber es war nicht die Regel.
Zu guter Letzt kommt Nina. Nina ist Ende 20 und hat den Beruf als Ärztin in der Charité ergriffen, der sie aber nach Corona mehr und mehr an ihre Grenzen bringt, so dass sie ausbricht und schließlich kündigt. Das unmenschliche „Gesundheitswesen“, gerade wie es sich in seiner schwärzesten Version in Zeiten von Corona gezeigt hat, kann Ärzte und Schwestern eigentlich nur fertig machen. Profit steht im Mittelpunkt und wer die Ausbildung im medizinischen Bereich einmal angetreten hat, um Menschen zu retten und gesund zu pflegen und zu heilen, kann nur noch verzweifeln. Soweit verstehe ich Nina. Dass die junge Frau sich eine Auszeit irgendwo im nirgendwo am Haff sucht, kann ich gut verstehen. Dort ist es phantastisch ruhig und landschaftlich wunderschön. Ninas Hund Ayla findet dort menschliche Knochen im Wald, die letztendlich alle 3 Geschichten verbinden, ohne dass die Frauen tatsächlich etwas miteinander zu tun hatten. Die Lösung am Ende des Buches für Ayla finde ich super. Wenigstens bekommt der Hund sein Happy End.
Abschließend befinde ich: ein sehr gutes Buch! Ich habe es, trotz meiner Kritikpunkte ausgefressen und kann es uneingeschränkt zum Lesen empfehlen. Letztendlich ist dies ein Roman und fiktiv.