Drei Frauen zu unterschiedlicher Zeit, Sehnsucht, Aufbegehren, Freiheit

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sofiewalden Avatar

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Dies ist die Geschichte dreier Frauen, getrennt durch die Zeit und die jeweilige Situation, mit der sie in ihrem Leben fertig werden müssen. Später, nahe am Ende, wird man auch eine Verbindung entdecken zwischen ihnen. Aber was sie alle drei ausmacht, von Beginn an, ist ihre Sehnsucht, den engen Grenzen, teilweise gesetzt durch staatliche Vorgaben und sogar Gewalt, Paroli zu bieten. Sie begehren auf, so gut es eben geht in dem Bestreben nach Freiheit.
Da ist unser Heute und da ist Nina, eine junge Ärztin, die einfach nicht mehr kann. Die Jahre an der Charité, die Zeit von Corona, dringend braucht sie eine Auszeit. Als man ihr diese so nicht gewährt, kündigt sie ihre Arbeit und sucht, begleitet von einem tierischen Neuzugang, Hund Ayla, Ruhe und die Zeit für Selbstreflektion am Stettiner Haff. Und dann kommt der Tag, an dem ihre Hündin etwas ausgräbt, was Nina umtreibt. Und sie macht sich auf die Suche nach Antworten.
Viele Jahre davor, hier lernen wir Sigrun kennen. Sehr jung geheiratet lebt die 20-Jährige mit Mann und Kind in der DDR und spürt die ganz normale staatliche Ein- und Begrenzung ihres Seins täglich in einer Weise, die sie dazu bringt, aufbegehren zu wollen. Sie sehnt sich nach Freiheit, wie sie sie versteht, aber um ihre Familie und speziell das Fortkommen ihres Mannes nicht zu gefährden, versucht sie, weiterzumachen wie bisher.
Und dann gibt es Gine, wieder eine Generation davor. Es ist die Zeit der NS-Diktatur und die 14-jährige wird zum Landjahr ins Stettiner Haff berufen. Die sogenante Belohnung ist ein harter erzwungener Arbeitsdienst. Und dann wird es noch viel schlimmer, denn man vergeht sich an ihr.
Drei Frauen, wir erfahren ihre Geschichten, authentisch, sehr nahe dran und wir fühlen mit, erleben die Ohnmacht, die Sehnsucht nach einem anderen, ihrer Person, auch ihrem Frausein, geachtetem Leben.
Dieses Buch, es wühlt auf und es treibt um, uns Leser in unserem auch so gar nicht perfekten Heute, aber es ist schon etwas anderes mit seinen doch demokratischen Strukturen und den Möglichkeiten, jemand zu sein. Und dazu die Natur des Stettiner Haffs, die Landschaft, das Moor, das Meer, die herrlichen Wege, die man sich erschließen kann, in einer gefühlt echten Freiheit. Und glücklicherweise ist dieses Gefühl für uns auch die Wirklichkeit. Das weiß man zu schätzen, nach diesem Buch aufs Neue sehr bewusst.
Ein guter duchdachter Roman, der sehr anrührt.