Ein bewegender Roman auf drei Zeitebenen über drei Frauenschicksale am Stettiner Haff

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s.edelfrau Avatar

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Tanja Weber gehört zu meinem Lieblingsautorinnen. Von ihr habe ich bereits das Buch „Betongold“ gelesen sowie zahlreiche Romane, die unter ihren Pseudonymen Marie Matisek oder Henrike Engel erschienen sind. So stand auch ihr neuestes Werk bereits auf meiner Wunschliste, noch bevor ich die Leseprobe auf Vorablesen.de überhaupt gelesen hatte (aber seitdem noch viel mehr).

Die Autorin erzählt in diesem Buch von drei Frauenschicksalen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Da geht es im Jahr 1936 um die 14-jährige Gine: Das Stadtkind wird von Berlin ans Stettiner Haff zum Landjahr geschickt und dort zusammen mit etlichen anderen Mädchen als billige Arbeitskraft missbraucht und wie eine Sklavin gehalten. Als wäre das nicht schon schlimm genug, kommt es dort zu einem Verbrechen, das Gines weiteres Leben überschattet.

1979 spielt die Geschichte von Sigrun, einer jungen Ehefrau und Mutter in der DDR. Gerade mal 20 Jahre jung, sehnt sie sich nach einem anderen, aufregenderen Leben. Sie bewundert ihre unkonventionelle Freundin Christa, die aussieht wie ein Punk und nach Ostberlin zieht, wo es vermeintlich freier zugeht. Doch die beiden jungen Frauen haben die Rechnung ohne die Stasi gemacht.

Und schließlich ist da noch Nina, eine Ärztin an der Berliner Charité kurz nach der Corona-Pandemie, die ihr vieles abverlangt hat. Vollkommen erschöpft und ausgebrannt zieht sie sich in ein Ferienhaus in Mecklenburg-Vorpommern zurück, um dort zur Ruhe zu kommen. Doch mit der Ruhe ist es bald vorbei, als ihre Hündin Ayla im Wald menschliche Knochen ausgräbt. Nina informiert die Polizei und wirbelt damit einen Jahrzehnte zurückliegenden Vermisstenfall wieder auf.

Wie oben geschrieben, haben die Frauen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun, sie stehen auch in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis zueinander (wie das ja sonst in Romanen, die auf mehreren Zeitebenen spielen, oft der Fall ist). Die Klammer, die alles zusammen hält, ist die Gegend, in der die Geschichte angesiedelt ist: Das Stettiner Haff, diese ganz besondere Landschaft zwischen Ostsee und Bodden, zwischen Wald, Schilf und eben dem titelgebenden Moor, das so manches Geheimnis verbirgt.

Zu dieser Klammer gehören auch die Menschen, die dort leben: Zu Gines Zeit gibt es da noch ein herrschaftliches Pferdegestüt, geführt von pommerschem Landadel nach alter Gutsherrentradition – doch auch das Schicksal der Besitzerfamilie von Wetzlaff ist durch den Zweiten Weltkrieg, den Einmarsch der Russen und schließlich durch das DDR-Regime so manchem Wandel unterworfen, was wiederum Auswirkungen auf die drei Frauen hat.

Tanja Weber erzählt die Geschichte der drei Protagonistinnen auf ruhige, einfühlsame und dabei doch so spannende Art und Weise, dass ich das Buch kaum noch aus der Hand legen konnte. Mit allen drei Frauen habe ich mitgefühlt und mitgelitten und so hat mich das Ende des Romans gleich in mehrfacher Weise erschüttert. Die Geschichte wirkt noch immer nach, ein paar Fragen bleiben offen und so habe ich mich, nachdem ich das Buch beendet hatte, noch oft gefragt, wie das Leben der Frauen bzw. ihrer Angehörigen wohl weiter gegangen sein könnte.

Fazit: Ein sehr bewegender Roman, der noch lange nachhallt, der zwar fiktiv ist, aber dennoch einige wichtige Epochen der deutschen Geschichte sehr anschaulich erzählt und der zum Nachdenken anregt. Ganz klare Leseempfehlung!