Eine Reise ans Meer

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Die namenlose Ich-Erzählerin, Anfang 30, lebt mit Emil, ihrem Partner, in einer gemeinsamen Wohnung. Für sie könnte das reichen, doch Emil will mehr. In einer anderen Wohnung wartet ein Bett auf sie, das Bett von Leo, mit dem sie eine Affäre hat und der selbst verheiratet ist. Zwischen diesen beiden Männern fühlt sie sich hin und her gerissen, der eine fordernd, der andere verständnisvoll. Sie flieht vor einer Entscheidung, vor sich selbst und dem Leben, das sie lebt. Denn sie weiß nicht, was sie will, wer sie ist, wie sie leben will und v.a. mit wem.

Ich hatte im Vorfeld einige Rezensionen gelesen und war danach vorbereitet auf obszöne Sexszenen und vulgäre Beschreibungen. Doch gefunden habe ich beides bis zum Schluss nicht. "Unterwasserflimmern" ist trotz einiger expliziter Stellen ganz sicher kein schockierender Erotikroman. Ja, die Protganistin hat Sex, manchmal härter, manchmal sanfter, aber Katharina Schaller schafft es, der Situation entsprechend zu schreiben. Teils schildert sie die Szenen in direkter und sexualisierter Sprache, doch dann auch wieder sehr leicht, so dass man das Geschehen nur erahnen kann. Sie lässt Raum für das Beobachten und Fühlen, abseits vom Verstehen. Schaller hat hier eine Protagonistin geschaffen, die ihre Sexualität auslebt, sie geniest und auch als Werkzeug missbraucht, die sich erst noch finden muss, die nicht weiß, wo sie hin will mit ihrer Zukunft. Ich empfand sie dabei in keinster Weise überspitzt oder oberflächlich.

Zugegebenermaßen kreist sie v.a. im zweiten Teil des Buches etwas sehr um sich selbst, doch steht das nicht auch jedem zu? Diese junge Frau ist auf der Reise, auf der Suche, sie findet viele Menschen auf ihrem Weg, mit manchen verbindet sie bei der Abreise mehr als mit anderen, doch allen geht sie offen entgegen. Sie ist ohne Ziel, dreht sich im Kreis, geht vor und wieder zurück, versucht das Ende und die Zeit für Entscheidungen hinaus zu zögern, so lange sie kann. Sie wird konfrontiert mit Gedanken und Gefühlen, an das was war und das was erst noch kommt, nur die Gegenwart bekommt kaum Raum obwohl sie doch im Hier und Jetzt steht. Sie ist voller Zweifel und Ungewissheit aber genau das hat mir gefallen an ihr.

Ich hatte nicht viel erwartet von diesem Buch aber Katharina Schaller hat es mir mit ihrer schönen Schreibweise leicht gemacht, mich darin zu verlieren. Sie vermischt lange Schilderungen mit kurzen aussagekräftigen Sätzen, die in ihrer Direktheit und Kürze zu überzeugen wissen. Dadurch hat sie für mich ein sehr intensives Leseerlebnis geschaffen und mich ihrer Protagonistin näher gebracht. "Unterwasserflimmern" ist ein Buch für alle, die hinter die Fassade blicken wollen und die sich nicht von einer Protagonistin abschrecken lassen, die sich nicht für ihren Körper und ihre Sexualität schämt. Ein Buch für alle, die sich entführen lassen wollen auf eine Reise ans Meer und darüber hinaus.