»Frau sein, heißt Leid ertragen«

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liselottchen1 Avatar

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Diesen Satz sprach unser Vortragender im Fach »Psychologie« als ich meine Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte. Damals sah ich das eher locker, doch nach der Lektüre dieses Buches, muss ich ihm zustimmen.

Dieses Sachbuch beschäftigt sich mit der Frau und umspannt einen breiten Bogen, von der Geschichte bis zur Jetzt-Zeit, wie Frauen behandelt wurden und werden, beziehungsweise wie Frau selbst damit umgeht. Einige erschütternde Tatsachen ziehen sich bis in die Gegenwart, zahlreiche Dinge habe ich dazu gelernt, haben mich betroffen gemacht und gefesselt gleichzeitig.
Die Autorin hat einen flüssigen Schreibstil und offenbar gut recherchiert, einiges habe ich gewusst, beispielsweise die Klitoris-Beschneidung, die leider leider auch heute noch, sogar in Deutschland, praktiziert wird. Vieles andere hingegen war mir unbekannt, vor allem die zahlreichen englischen Begriffe der heutigen Kosmetik- und Schönheitschirurgie. Und was es online alles offen zu kaufen gibt und ich hier nicht erwähnen möchte, damit nicht Jugendliche mit Gewalt darauf hingestoßen werden.

Die Autorin erzählt von ihrer Großmutter, die jahrelang an Schmerzen litt und nirgends ernst genommen wurde. Hysterie und »alles ist nur psychisch«, was beides gleichbedeutend mit Einbildung ist, das musste sich auch meine Mutter anhören, die ich ebenfalls hauptsächlich leidend kenne. Sie ist von Arzt zu Arzt gerannt, ging allen auf die Nerven und niemand konnte ihr helfen. Interessant, dass sie das Schicksal mit vielen Frauen teilt, ihr wurde damals eingeredet, dass sie besonders »wehleidig« wäre und einen Psychiater aufsuchen sollte. Der Begriff »Medical Gaslighting« trifft es gut, wobei ich auch eine Lanze für die Ärzteschaft brechen möchte: Es ist einfach zu wenig Zeit für die Patienten. Wer die vollen Arztpraxen kennt, kann sich vorstellen, dass kaum Zeit bleibt, sich die Leiden der Patientinnen stundenlang anzuhören. Mein Schwiegervater beispielsweise hat von sieben Uhr früh bis spät in die Nacht gearbeitet, oft war es nach zehn Uhr, dass er seinen letzten Hausbesuch erledigte.

Erwähnen möchte ich (es hat allerdings mit der Autorin nichts zu tun), dass ich Cover und Titel unpassend finde. Ich hätte das Buch in der Buchhandlung nicht angesehen, geschweige denn gekauft. Was soll das Bild darstellen? Eine Frau in Unterwäsche, Bauchfalten, Teil vom Busen – eine entwürdigende Gestaltung. Auch der Titel ist viel zu wenig aussagekräftig für dieses wichtige Thema, das nun endlich mal vor den Vorhang geschubst wurde.
Ein Buch, das durch Information und Wissen besticht, für mich leider zu abrupt endet. Ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin mehr positive Beispiele aufzählt, ob und wie viel an Änderungen gearbeitet wird. Die wenigen Dinge, die sie zwischendurch erwähnt, sind rar und so bleibe ich mit gemischten Gefühlen zurück, und bezweifle, dass sich für meine vier Enkelinnen etwas ändern wird.