Schmerzhafte Wahrheit

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In Unversehrt entwirft Eva Biringer das Porträt ihrer Großmutter – einer Frau, deren Leben von rätselhaften, nie abschließend diagnostizierten Beschwerden durchzogen war. Statt Verständnis erntete sie Spott: Man solle sich doch nicht so "hysterisch" anstellen. Hysterie wird Frauen ja gerne mal unterstellt. Und so griff sie irgendwann zu beliebigen Medikamenten, in der Hoffnung, dass irgendeines schon Linderung verschaffen würde.
Diese Geschichte wirkt wie aus einer fernen Zeit, und doch ist sie, wie Biringer zeigt, nur allzu gegenwärtig. Heute sind die Worte vielleicht sanfter, die Strukturen aber kaum verändert. Mit feinem Blick wendet sich Biringer dem Thema „weiblicher Schmerz“ zu und stellt unbequeme Fragen: Wie wird der Schmerz von Frauen gesehen – von der Medizin, von der Gesellschaft, von den Frauen selbst? Wie gehen wir mit ihm um, und was sagt das über uns aus?

Ihre Antworten sind ernüchternd und aufrüttelnd zugleich: Die Benachteiligung von Frauen im Gesundheitssystem ist keine Randproblem, sondern bittere Realität – mit Folgen, die nicht nur das Wohlbefinden, sondern bisweilen auch das Leben kosten können.

Biringer legt diese Wunden offen, ohne ins Pathos zu verfallen, und macht sichtbar, was oft im Verborgenen bleibt. Unversehrt ist ein Buch, das zornig macht, weil es zeigt, wie wenig sich geändert hat – und das dennoch gerade deshalb so notwendig ist. Es ruft ins Bewusstsein zurück, was wir allzu leicht vergessen: dass Ignoranz gegenüber Schmerz nicht harmlos ist, sondern zerstörerisch.