Die Geschichte einer rumänischen Familie

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
tinstamp Avatar

Von

Ich war sehr gespannt auf Sabin Tambreas Buch "Vaterländer". Ich mag den Schauspieler sehr gerne und habe nicht nur die Ku'damm Reihe und Babylon Berlin, sondern auch seinen letzten Kinofilm "Die Herrichkeit des Lebens" gesehen, wo er Franz Kafka spielt. Interessant fand ich auch, dass "Vaterländer" bereits sein zweiter Roman ist. Den Vorgänger muss ich mir noch genauer ansehen..

Sein neuer Roman ist in drei Handlungsstränge aufgeteilt und wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.
Im ersten Teil begleiten wir den erst dreijährigen Sabin, wie er gemeinsam mit seiner Schwester Alina, genannt Ai und seiner Mutter Rodica im Zug von Rumänien nach Deutschland sitzt. Alle sind nervös, denn auf sie wartet ein neues Leben in Marl, wohin Sabins Vater Béla 1985 nach einer Konzertreise in Frankreich vor der Regierung Ceaușescus geflohen ist. Zwei lange Jahre musste der Rest der Familie warten, um zu ihm nach Deutschland ausreisen zu können. Es ist nicht einfach für die Familie im fremden Land Fuß zu fassen. Schließlich finden die Orchestermusiker in der Philharmonia Hungarica eine Stelle. Klein-Sabin bekommt neben seiner talentierten älteren Schwester ebenfalls Geigenunterricht. Mutter Rodica leidet trotzdem sehr an Heimweh. Trotz der Schwierigkeiten gelingt es den Tambreas mit den Großeltern in Verbindung zu bleiben. Nach dem Zerfall der Sowjetunionen und des Eisernen Vorhangs können sie die restliche Familie in den Sommerferien in der alten Heimat wieder besuchen.
Dieser Teil wird aus der Sicht des kleinen Sabin erzählt und hat mich sehr beeindruckt. Hineingeboren in eine Musikerfamilie fand er zur Violine keine wirkliche Liebe, sondern landete schließlich beim Theater.

Im zweiten Teil wird aus dem Tagebuch von Horea Sava, dem Großvater mütterlicherseits erzählt. Hier tauchen wir ein in die dunkle Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gegend wurde umkämpft und nachdem sich die Rumänen der Sowjetunuion zuwandten, versuchte das kommunistische Regime ihre Gegener mundtot zu machen. Vorallem Künstler und Gelehrte wurden festgenommen und in Gefängnisse gesteckt. Dieses Schicksal teilte auch Großvater Horea. In seinen Memoiren erfahren wir mehr über die Zeit seiner Inhaftierung durch die Securitate, der rumänischen Geheimspolizei, von 1949 bis 1951. Sie erzählt von Leid und Entbehrungen und liest sich nicht einfach.

Im dritten Teil erfahren wir mehr über Béla, dem Vater von Sabin und erleben auch die Liebesgeschichte zwischen den Eltern, aber auch die Zeit der Ängste und Sorgen, sowie ihren Erwartungen, die durch das Regime immer wieder zerstört werden. Hier schließt sich der Kreis zum ersten Teil.

Sabin Tambrea erzählt in seinem Roman die Geschichte von drei Generationen aus seiner Familie, aber auch viel über seine Heimat Rumänien und dem politischen Wandel. Vorallem über Ceaușescu, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, keinen Schulabschluss hatte und zum Diktator aufstieg und sein Volk hungern ließ, nimmt eine große Rolle ein. Hier lässt uns der Autor hinter die Kulissen des Aufstieges Ceaușescus blicken.

Sprachlich ist "Vaterländer" trotz kleiner Längen ein Genuss. Die Erzählweise der drei Teile sind unterschiedlich und geben jedem Erzähler eine eigene Stimme, was ich wirklich erstaunlich fand. Allen drei Generationen wird dadurch mehr Raum gegeben.
Am Ende gibt es noch eine Namensliste der zahlreichen Personen.

Gerne hätte ich noch etwas mehr über Sabin Tambreas Erwachsen werden und mehr Einblicke betreffend seines künstlerischen Weges erfahren. Trotzdem ist dieser Roman ein bewegender Generationenroman, der mich zum Nachdenken gebracht hat und den ich gerne gelesen habe.

Fazit:
Ein bewegender Generationenroman über Flucht, Denunziation und einen Neuanfang. Man erfährt jede Menge über die Geschichte Rumäniens und übder die Familie Tabrea.