Laudanum statt Vaticanum

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singstar72 Avatar

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Ich gebe zu, ich habe mich gerade deshalb für dieses Buch interessiert, weil sich die Parallele zu Dan Brown geradezu aufdrängt. Mit diesem Autor verbindet mich so eine Art „Hassliebe“, und ich wollte sehen, ob es einer besser kann. Nun – kann er leider nicht. Mit allem Respekt muss ich sagen, dass mir das Buch von Dos Santos nicht besonders gefallen hat.

Vielleicht unter anderem deshalb, weil sich das Buch sehr „verzettelt“. Es beginnt mit der Suche nach dem Grab von Apostel Petrus. Das allein fand ich schon spannend, doch leider wurde die Suche mittendrin unterbrochen. Der Papst schickt nach Tomàs Noronha, weil er aufgrund einer alten Prophezeiung sowohl um sein Amt als auch um sein Leben fürchtet.

Doch auch dieser – leidlich spannende – Ansatz wird nicht konsequent weiter verfolgt. Anstatt die Geschichte von Marienerscheinungen und Prophezeiungen zu schildern, wird der Papst entführt. Als Drittes kommt nun, nach Historie und Mystery, ein Thriller hinzu. Damit hat sich das Buch definitiv übernommen.

Und was mir die Lektüre schlussendlich am meisten verleidet hat, war der viel zu lange Mittelteil im „Thriller“. Gefühlt unendlich unterhalten (!) sich Noronha und die Wirtschaftsprüferin ganz einfach über Konten, Konten und nochmals Konten. Und wem sie alle warum gehören. Hier ist mein Interesse derart erlahmt, dass ich das Buch beinahe abgebrochen hätte.

Der Thriller nimmt ganz zum Schluss hin dann doch noch Fahrt auf, aber hier leidet die Geschichte wiederum unter offensichtlichen Übertreibungen und Ungereimtheiten. Sicher, man erwartet in einem solchen Buch keine Logik, die wiederholbar wäre. Dennoch, es ging mir auf die Nerven, wie immerzu in allerletzter Sekunde ausgerechnet ein Historiker (von dem man eigentlich nichts weiter weiß) auf den entscheidenden Kniff kommt.

Ein großer Negativpunkt war für mich auch die Sprache. Die Ausdrucksweise fand ich sehr oft unangemessen flapsig – das mag allerdings ein Problem der Übersetzung sein. Das ständige Gefluche des italienischen Kommissars hat mich nach einer Weile in Rage gebracht, da es sich immerzu wiederholte. Ich kenne Italiener, und die sagen weitaus seltener „cazzo“ oder gar „stronzo“, als man meint…!

Schon ganz am Anfang habe ich auch an den Dialogen Anstoß genommen. Sie wirken hölzern, gestelzt, und sind ganz oft einfach zu lang. Das Gespräch zwischen Noronha und seiner Verlobten in den ersten Kapiteln wird doch ganz offensichtlich nur deshalb geführt, um für den Leser in gedrängter Form die Suche nach dem Petrusgrab zu referieren… so würde sich im wahren Leben keiner unterhalten! Das Gespräch mit dem Papst über alte Prophezeiungen wirkte ebenfalls schablonenhaft.

Charakterisierungen oder gar Weiterentwicklungen der Charaktere sucht man hier ebenfalls vergebens. Die Verlobte ist zickig, und würde lieber shoppen gehen. Die Wirtschaftsprüferin ist blond und sexy. Und – oh Graus! - als der Papst entführt wird, sinkt sie doch glatt seufzend an Noronhas Brust – da habe ich mich „fremdgeschämt“! Der italienische Polizist ist aufbrausend und unfähig. Und die Geistlichen sind zumeist undurchdringlich, aber milde. Das war‘s. Auf dem Stand bleibt es das ganze Buch hindurch. Ach ja, und ganz selbstverständlich sind viele Priester schwul, und die islamischen Terroristen rufen immerzu „Ungläubige“ und „Allahu akbar“. Ein wirklich gruseliger Stil.

Ich will gerne einräumen, dass es sicher Leser geben wird, denen dieses Buch gefällt. Wahrscheinlich ist auch die geänderte Reihenfolge des Erscheinens der Bücher um Tomàs Noronha in Deutschland der Sache nicht zuträglich gewesen. Ich für meinen Teil jedoch halte mich, wer hätte das gedacht, bei religiösen Thrillern dann wieder an Dan Brown.