Vegan leider nur bedingt to go ...

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cellissima Avatar

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Attila Hildmann hat einen maßgeblichen Beitrag zur Bekanntheit und Popularität der veganen Ernährung gerade auch in Deutschland geleistet.
Nicht wenige Menschen ernähren sich seit Erscheinen seiner Kochbücher überwiegend oder gar ausschließlich nach "Vegan for Fit" und/oder "Vegan to Go".
Die dort enthaltenen Gerichte sind lecker, vitaminreich, diätgeeignet - und reichen von süß bis herzhaft, vom Frühstück über Getränke und Snacks bis hin zu Mittag- und Abendessen.
Nie hat man das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen.

Doch so toll die Rezepte aus "Vegan for Fit" und "Vegan for Youth" auch sind, sie haben einen Nachteil: sie sind meist relativ zeitintensiv, die Küche gleicht nach dem Kochen nicht selten einem Schlachtfeld, und die meisten eignen sich leider nur bedingt bis gar nicht für unterwegs.

Kein Wunder also, dass der Ruf nach einem weiteren Hildmann´schen Buch voller Rezepte, die denen aus "Vegan for Fit" und "Vegan for Youth" zwar in Nichts nachstehen, dabei aber schnell und einfach zuzubereiten sind und sich vor allem auch gut für Schule, Uni, Büro oder Ausflüge eignen, immer lauter wurde.

Attila Hildmann hat diesen Ruf vernommen und sich Gedanken zur Lösung des Problems bzw. zur Erfüllung dieser Wünsche gemacht . Das Ergebnis ist "Vegan to Go".

Die Erwartungen sind sehr hoch, kennt man nicht nur alle Vorgängerbücher, sondern verspricht auch der Klappentext sehr viel: 100 schnelle, einfache, leckere Rezepte, bestens für unterwegs geeignet.
Veganes fast food im besten Sinne, das obendrein noch positive Wirkungen für die Gesundheit entfalten soll.
Das Buch soll sich auch an EInsteiger richten, die ohne jegliche Vorkenntnisse die vegane Ernährung einmal testen wollen.
Und durch kleine Tricks und Kniffe sollen die Rezepte sogar perfekt mit denen aus "Vegan for Fit" und "Vegan for Youth" kombinierbar sein - denn nicht wenige Hildmann-Anhänger möchten ihr Gewicht verringern oder halten.

Das klingt verheißungsvoll ... sollte es Attila Hildmann tatsächlich gelungen sein, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen?!

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Das Buch erschien im selben Verlag wie seine Vorgänger und kommt daher gewohnt hochwertig daher.

Hildmann gibt zunächst Tips dafür, wie man tierische durch pflanzliche Zutaten ersetzen und Speisen so veganisieren kann - und diese Tips sind wirklich ausführlich und so gut, dass nicht nur Einsteiger, sondern auch Menschen, die schon vegane Erfahrung mitbringen, davon profitieren können!
So erfährt man etwa, dass das Tofu-Rührei durch Zugabe des Schwefelsalzes Kala Namak dem "echten" Rührei geschmacklich noch viel näher kommt, oder wie man eine wirklich gute vegane Käse-Sauce für Nudelgerichte und Pizzen zaubert.

Er führt positive Effekte der veganen Ernährung auf, warnt vor den Folgen einer Ernährung, die tierische Produkte beinhaltet, erinnert an Tierversuche und all das Tierleid, das mit der Haltung, Schlachtung und dem Verzehr bzw. der Gewinnung und Herstellung von Milch, Käse, Butter usw. verbunden ist.
Dies alles geschieht weder mit erhobenem Zeigefinger, noch ist es übertrieben - es ist schlicht und ergreifend die Wahrheit und traurige Realität, und so ist es nur richtig und wichtig, dass Hildmann dies immer wieder vor Augen führt.

Für Einsteiger gibt es Tips zum Zeitsparen und eine Auflistung veganer Alternativen in Restaurant, Kantine und Mensa.

Die Rezepte sind gewohnt übersichtlich gehalten, wie immer lecker und gelingsicher, sämtliche Angaben passen.

Allerdings sind auch einige Widersprüche erkennbar: Rezepte wie der Frühstückstoast "Venice Skater" von S. 38, dessen Zubereitung 30 Minuten in Anspruch nimmt, sind für meinen Geschmack sicher nicht wirklich schnell und to go ...

Viele Rezepte sind in meinen Augen auch zu gehaltvoll und damit nicht bei Stufe 3, sondern eher bei Stufe 5-6 anzusiedeln - so etwa der Nuss-Nougat-Aufstrich "Berlin Dream" von S. 45.
Es gab in den Vorgänger-Bänden schon mehrere tolle Nutella-Rezepte, die deutlich gesünder waren.
Warum man hier jetzt noch so viel Schokolade, eine Packung Margarine und Puderzucker hinzugeben muss, erschließt sich mir nicht so ganz. -Hildmann begründet dies zwar damit, dass man sich ab und an auch mal was gönnen muss ... aber wenn ein Rezeptbuch voller solcher Rezepte ist, die reich an Zucker und Kohlenhydraten sowie Fertigprodukten sind, ist man sicher über´s Ziel hinausgeschossen.
Solche Zucker- und/oder Kalorienbomben kann und will man nicht täglich guten Gewissens in seine Lunchbox packen!
Ein Problem: entweder man greift nur gelegentlich auf die "Vegan to Go"-Rezepte zurück (und weiß dann wieder nicht, was sich für unterwegs eignet ...), oder man verwendet sie öfter - und ernährt sich dann doch wieder ungesund.

Bei den Frühstücks-Rezepten sind im Prinzip nur die süßen und herzhaften Aufstriche schnell gemacht und to go-geeignet.
Der Proteinriegel "Iron Will" von S. 55 lässt sich zwar gut vorbereiten und super mitnehmen - aber für ihn braucht man ein Proteinpulver. Das ist nicht gut, denn auch vegane Pulver enthalten so gut wie immer Inhaltsstoffe, die Hildmann sonst strikt ablehnt: Aromen, Emulgatoren, Süß- und Farbstoffe ... wie also passt es zu seinen konsequenten Aussagen und Auffassungen, dass er nun plötzlich solche Pülverchen in seinen Rezepten verwendet?!

Bei den Hauptgerichten dasselbe Problem: viele sind zu zeitraubend (das Sojagyros von S. 60 benötigt etwa 50 Minuten. die Gemüselasagne von S. 63 gar 95 Minuten!), viel zu gehaltvoll und gerade nicht mit "Vegan for Fit" und "Vegan for Youth" kompatibel und zudem auch leider kaum bis nicht für Schule, Uni oder Büro geeignet.
Denn so lecker Gemüselasagne, Flammkuchen, gebratene Chinanudeln, Bratkartoffeln, Minestrone, Pizzakartoffeln, Nudelauflauf, Spaghetti mit Pesto usw. auch sind: wer keine Koch- oder Aufwärmmöglichkeit in Schule, Uni, Büro o.Ä. hat (und das dürften nicht wenige Menschen sein), für den sind all diese Rezepte sicher nicht für unterwegs geeignet.
Und wer möchte diese Gerichte schon kalt essen?!
Das nächste Problem also: viele, viele Rezepte fallen dann von vornherein weg, wenn man nicht zu Hause ist. -Gerade für unterwegs hatten wir uns aber doch viele neue Rezepte gewünscht ...

Immerhin lassen sich einige der Snacks gut mitnehmen, so etwa die herzhaften Muffins mit Räuchertofu, getrockneten Tomaten und Kräutern von S. 120 oder die to go-Brötchen mit italienischer Hackfüllung von S. 129.
Auch die Sandwiches und die Panini sind sehr gesund (wenn man die im Rezept enthaltenen Chips weglässt ... ) und lassen sich endlich auch genießen, wenn man nicht zu Hause ist.
Auch gibt es einige neue Salat-Rezepte, die man problemlos mitnehmen kann.
Drinks und Shakes (die aber leider wieder Proteinpulver enthalten ... ) sowie Süßigkeiten wie cake pops, Toffifee, Kuchen, Muffins und Kekse runden die Rezeptpalette ab.

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Fazit: "Vegan to Go" hält leider nicht ganz, was es verspricht. Viele Rezepte sind gerade nicht für unterwegs geeignet -zumindest dann nicht, wenn man zu den Leuten gehört, die unterwegs keine Koch- bzw. Aufwärmmöglichkeit haben-, viele enthalten zu viel Zucker, (leere) Kohlenhydrate und andere fragwürdige Zutaten (v.a. diese Proteinpülverchen), sind eher auf Stufe 5-6 als auf Stufe 3 anzusiedeln und somit entgegen der Werbung sicher nicht "Vegan for Fit"- und "Vegan for Youth"-kompatibel.
Positive Wirkungen für die Gesundheit vermag ich dort auch nicht zu erkennen, warnt Hildmann doch selbst immer wieder bspw. vor den Zutaten, die die meisten auch veganen Proteinshakes enthalten ...
Immerhin sind aber auch genug Rezepte dabei, die gut schmecken und gesund sind.
Diese kann man dann wenigstens zu Hause zubereiten und essen. Unter´m Strich also wenigstens einige schöne neue Rezepte, auf die man immer wieder mal zurückgreifen kann, wenn man bspw. etwas Abwechslung von "Vegan for Fit" und "Vegan for Youth" sucht.