Sparflamme

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boris g. Avatar

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Valerie Mausers zweiter Fall in Innsbruck führt sie in die Welt der Rockmusik. Wolf Rock, internationaler Rockstar mit Tiroler Wurzeln, soll im Bergiselstadion auftreten und erhält im Vorfeld Morddrohungen. Mauser und ihre Kollegen sind beauftragt, sich um seine Sicherheit kümmern. Ein windiger Manager, ein attraktiver Journalist, ein distanzloser weiblicher Fan und etliche andere Blindspuren beschäftigen "Veilchen" Mauser bis zum Showdown.
War ich beim Leseeindruck noch guter Hoffnung, fand ich doch die Lektüre enttäuschend. Die Figuren berühren mich nicht, die Geschichte kommt nicht recht in Schwung. Das Setting ist unglaubwürdig, die Geschichte plätschert so dahin.
Zum Krimistrang: Spannend ist die Idee - Rache für etwas, das in den siebziger Jahren passiert ist. Doch die Erwartung, die diese Exposition schürt, wird leider kaum erfüllt.
Schön ist auch das Stilmittel der Flashbacks, der Leser lernt das Mädchen kennen, das vor vierzig Jahren Opfer war und Auslöser für die Morddrohungen zu sein scheint. Doch auch hier gibt es kein befriedigendes Payoff - die Auflösung ist vorhersehbar, es ist nur die Frage, welche der vielen Nebenfiguren es sein wird, und der eigentliche Täter kommt dann auch wie Jack aus der Box ohne dramturgischen Aufbau.
Der Krimi bemüht sich, trotz der bremsenden Witzeleien Tempo aufzunehmen, was bis zum zweiten Akt noch einigermaßen gelingt, doch im Finale funktioniert gar nichts mehr. Da wird versucht, Spannung durch Chaos herzustellen, da agieren Protagonisten und Kollegen völlig unprofessionell, da wird einer behaupteten Bedrohung, die man als Leser aber nicht spürt, nichts entgegengestellt und die erzählte Polizeiarbeit in ihrer Unzulänglichkeit müsste jeden Faschingspolizisten empören.
Zum Erzählstil: Der Autor kann schreiben, keine Frage. Doch in der Tonalität ist das Buch unentschlossen. Stellenweise klingt die typisch harmlose Regionalkrimi-Bulle von Tölz-Stimmung durch, wo Leichen unblutig sind und die Protagonisten gern seicht scherzen. Doch dann, vor allem in der Flashback-Handlung 1976, klingt es da doch viel härter. DIese Uneinheitlichkeit macht es schwer, sich auf das Buch einzulassen.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Figuren, allen voran die Protagonistin Valerie. Ihr Charakter wird zwar gelegentlich beschrieben, aus all dem entsteht aber kein einheitliches Bild. Sie ist cholerisch, aber doch irgendwie empathisch, sie ist wehrhaft, aber doch irgendwie Weibchen, wenns um attraktive Männer geht. Und im Grunde kommt man ihr als Leser nicht wirklich nahe - und damit bleibt sie auch weitgehend eine wenig sympathische - das wäre aber nicht schlimm -, aber vor allem uninteressante Heldin. Die Versuche, Cliffhanger für weitere Folgen anzubieten, wie ihre geheimnisvolle Tochter Rebecca oder aber ihre Beziehung zu ihrer schwangeren Schwester, sind ebenso durchschaubar wie beliebig.
Ihre enge Beziehung zu Stolwerk wird zwar behauptet, ist aber in keiner Situation spürbar. Und kurz vor dem Showdown, wenn die als toughe Polizistin erzählte Valerie sich angesichts Sandro Weilers Bühnenauftritt wie eine hormongesteuerte 13jährige benimmt, obwohl aufgrund der drohenden Gefahr Professionalität angesagt wäre, ist man als Leser dankbar, dass es sich hier um reine Fiktion handelt.
Großes Manko: Gegen Ende, wenn die Spannung am größten werden sollen, wenn also hunderte Konzertbesucher im Bergiselstadion eingepfercht einer unbestimmten Zukunft entgegensehen, wenn die Rauchsäulen aufsteigen und die Apokalypse naht, verliert sich der Autor immer wieder in irrelvante Befindlichkeiten der Protagonistin, die einerseits bremsen, andererseits der finalen Spannung im Weg stehen.
Auch eindeutig in der Fiktion sind wir, wenn ein deutschsprachiger Rockstar mit solchen Texten die Hallen füllt - es ist auch schwer, hier zu erspüren, in welcher musikalischen Welt man sich befindet: Erzählt wird so eine Art junger Tiroler Ozzy Osborne, aber die Beschreibung der Stimmung, der Entourage, des Publikums ist viel mehr Gaballier als Metal.
Und mit einem Stollwerk, dessen Lieblingsausdruck: Heiliger Blauschimmelkäse! ist, fühlt man sich in der Kinderabteilung angekommen.
Da stimmen für mich leider etliche Dinge nicht. Insgesamt also eher enttäuschend, nicht zuletzt deshalb, weil ich das Gefühl habe, der Autor könnte mehr, und auf eine weniger lieblose Dramaturgie wurde möglicherweise aus terminlichen Gründen verzichtet. Hier gilt die Kritik auch dem sonst so zuverlässigen Haymon-Verlag.
Schade: Ein angesagtes Feuer, das auf Sparflamme brennt.