Die Faszination der Wölfe

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Veras Vater ist Schriftsteller, und so sucht er in der Einsamkeit des verschlafenen Dorfes Rønset Ruhe und Konzentration, um sein Buch über Wölfe und die unbegründete Angst ihnen gegenüber fertigzustellen. Das dreizehnjährige Mädchen hingegen hat Schwierigkeiten, sich an die ungewohnte Stille ihres neuen Hauses im Wald zu gewöhnen, und auch sonst bietet der Ort kaum Beschäftigungsmöglichkeiten. Doch dann erfährt sie, dass in der Gegend Wölfe gesichtet wurden. Die Dorfbewohner fühlen sich bedroht, einige beziehen sogar klar Stellung gegen die Anwesenheit der wilden Tiere und scheinen ihre eigenen Pläne zu verfolgen, wie sie sie wieder loswerden können. Zusammen mit ihrem neuen Freund Gustav versucht Vera, sie aufzuhalten. Denn mit dem Einzug in das Haus erhielt sie ein Geschenk, das es ihr ermöglicht, die Sprache der Wölfe zu verstehen.

Veras Geschichte ist sehr ruhig und bildhaft geschildert. Die ungewohnte Stille, die Einsamkeit der ländlichen Gegend, all das wird sehr atmosphärisch transportiert, verbunden mit einer zarten Melancholie, so dass Veras Empfindungen und Gedankengänge lebendig und nachvollziehbar werden. Der Roman lässt sich Zeit, die Figuren einzuführen, ohne sie allzu sehr zu erklären, und gibt dem Leser auf diese Weise die Möglichkeit, zusammen mit Vera in der neuen Umgebung anzukommen. Manche Figuren wirken dabei etwas einfach gehalten, doch erfährt man häufig auch nur Bruchstücke von ihnen, tauchen sie nur ein paar Mal kurz auf. Der Beginn der Freundschaft zu Gustav hätte dagegen etwas lebendiger gestaltet werden können. Auf einmal ist er da, und sie freunden sich erst nur miteinander an, weil in dem kleinen Dorf sonst kein anderes Kind desselben Alters wohnt, und später, weil Gustav der Einzige ist, dem Vera von ihren neu gewonnen magischen Fähigkeiten erzählen kann. Im Laufe des Romans gewinnt die Freundschaft jedoch deutlich an Tiefe und Vielschichtigkeit.

Der Spannungsbogen entwickelt sich langsam, wird jedoch zunehmend dichter. Manchmal finden sich kleine Logikfehler, die Dialoge wirken mitunter etwas merkwürdig und lückenhaft und einige Stellen vermitteln das störende Gefühl, dass bewusst Informationen ausgespart werden, um die Spannung zu erhöhen. Mit der magischen Mütze erhält der Roman eine dezente Fantasynote, die jedoch nicht wirklich aufdringlich ist und sich ganz gut in die ansonsten realistisch gehaltene Geschichte einfügt.

Ein atmosphärischer, spannender Kinder-/Jugendroman, der sehr gekonnt die Schwierigkeiten vermittelt, die Nähe der Wildnis zu akzeptieren, wenn das eigene Leben so eng damit verbunden ist. In sensibler Sprache erzählt, weist er zwar ein paar kleinere Fehler auf, bietet aber dennoch schönen und besonderen Lesegenuss.