Verbrechen?

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buecherfan.wit Avatar

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Die Leseprobe enthält die erste von 11 Geschichten, mit denen der Autor in seiner Funktion als Strafverteidiger

tatsächlich in Berührung kam. Es ist die Geschichte des grundsoliden, tüchtigen Arztes Friedhelm Fähner aus

Rottweil, der nach mehr als 40 Jahren Ehe seine Frau Ingrid mit der Axt erschlägt und zerstückelt, weil er ihre

Beschimpfungen und Beleidigungen nicht mehr erträgt. Die Probleme begannen schon bei der Hochzeitsreise, als

seine Frau etwas von ihrer wahren Natur zu erkennen gibt und ihm den Eid abverlangt,  dass er sie niemals ver-

lässt und immer beschützt. Das ist der Anfang eines jahrzehntelangen Martyriums, aus dem sich Fähner nicht be-

freit, weil er sich an seinen Eid gebunden fühlt, bis eines Tages eine neuerliche bösartige Attacke seiner Frau das

Fass zum Überlaufen bringt.

Ferdinand von Schirach zeigt, wie gründlich er sich mit den Hintergründen der Tat und der Persönlichkeitsstruktur

des Täters auseinandergesetzt und durch sein Plädoyer eine milde Bestrafung erreicht hat. Der Leser versteht

durch seine einfühlsame Darstellung, dass es nicht nur schwarz und weiß, gut und böse gibt, und  dass ein solcher

Fall  alle Theorien zum Sinn und Zweck von Strafe fragwürdig erscheinen lässt. Das Gericht hat sich diese Frage

mit Sicherheit gestellt, und der Leser, der aufgrund der Darstellung viel Sympathie für Fähner entwickelt hat,

ebenso. Bleibt noch anzumerken, dass von Schirach nicht nur ein exzellenter Strafverteidiger ist, sondern auch

ein hervorragender Schriftsteller. Man darf auf die übrigen Fallgeschichten gespannt sein.