Wenn der Anwalt erzählt ...

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annajo Avatar

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In "Verbrechen" schildert der Anwalt von Straftätern seine ihm anvertrauten Fälle. Dies tut er auf äußerst sachliche Weise, zumindest in der Leseprobe jedoch überwiegend aus Sicht des Täters. Allerdings versucht er damit nicht Mitleid zu erregen, sondern zählt die Lebensstationen des Täters und des Opfers auf. Dabei wird deutlich, dass es für beide Personen andere Auswege gegeben hätte. Fähner, der Mittelpunkt der Leseprobe, ergriff keine davon und brachte statt dessen seine Frau nach jahrzehntelanger Ehe um. von Schirach zeichnet dabei das Bild eines schwachen Mannes, der bereits nach dem ersten Sex "so durcheinander [war], dass er sie schon eine Woche später bat, ihn zu heiraten". Dies spricht nicht gerade für den Angeklagten und eine angemessene Problemlösefähigkeit. Jedoch urteilt der Autor in keiner Weise über die genannten Personen, sondern überlässt dies allein dem Leser.

Als großer "true crime"-Fan habe ich schon oft Bücher mit der gleichen Thematik wie "Verbrechen" gelesen. Und in diesem Genre belegt von Schirachs Buch mit der hier gebotenen Leseprobe eher einen Platz im Mittelfeld, da der Fall recht kurz, wenig differenziert und wenig tiefgründig abgehandelt wird. Das Buch an sich würde ich aufgrund der Leseprobe schon gern lesen, hoffe aber gleichzeitig darauf, dass sich der Autor im Verlauf des Buches weiter steigert und nicht jeden Fall derart knapp und wenig reflektiert abhandelt, sondern weiteren Fällen mehr Tiefe und psychologischen Hintergrund gibt.