Absolut spitze!

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nickimaus Avatar

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Dieses Buch hat mich schon seit einiger Zeit gereizt, vor allem durch die interessanten Meinungen, die ich bisher gehört habe. 16,95 € für 200 mit viel Freiraum versehene Seiten sind nicht gerade ein Spottpreis und so habe ich es immer ein bisschen aufgeschoben, beim letzten Einkauf aber dann doch mitgenommen. Und ich habe es wirklich nicht bereut.

Schon nach kurzer Zeit merkt man als Leser, dass Ferdinand von Schirach hier nur ganz besondere Fälle zusammengetragen hat, von denen keiner einen geradlinigen Verlauf hat. Ich konnte des Öfteren manchmal nur ungläubig den Kopf schütteln und der Autor zwang mich, mit offenem Mund weiterzulesen. Der "Das-gibt's-doch-nicht-Effekt" war fast in jeder Geschichte allgegenwärtig. Absolut passend fand ich den nüchternen und faktenreichen Erzählstil, eine reisserische Aufmachung á la Bild-Zeitung wäre hier absolut unangebracht gewesen. Aber genau dieser Erzählstil, der im Übrigen keinerlei Wertungen für die Taten abgibt, war es, der mich bei "Verbrechen" so begeistern konnte. Aber trotz aller Nüchternheit hatte ich manchmal das Gefühl, dass der Autor dieses Buch mit einem verschmitzen Lächeln auf den Lippen niedergeschrieben hat.

Die Geschichten besitzen alle guten "Eigenschaften", die Bücher haben sollten: Es war spannend, lustig, tragisch, verwirrend und traurig zugleich. Spannend, wenn man kaum erwarten kann, was ein langsam verrückt werdender Museumswärter wohl anstellen wird, damit er den Auftritt in diesem Buch rechtfertigt. Lustig, wenn ein Libanese mit acht fast identisch aussehenden Brüdern die Justiz narrt. Tragisch, wenn ein junger Kerl seine sich prostituierende Freundin um alles in der Welt schützen will. Verwirrend, wenn man plötzlich selbst erschrickt, da man Verständnis und Mitgefühl für einen pensionierten Arzt aufbringt, der seine Frau ermordet hat. Traurig, wenn ein in Deutschland gescheiterter Mann in Äthiopien sein Lebensglück findet, aus diesem aber wieder brutal herausgerissen wird.

Nur eine einzige der 11 Geschichten konnte mich nicht begeistern, von allen anderen möchte ich keine einzige hervorheben. Jede war auf ihre Weise toll. Das Cover finde ich im Übrigen nicht mal so passend, da es eher den Eindruck von Mafioso oder Auftragskiller macht. Auf diese beiden Begriffe trifft man zwar auch in dem Buch, sie sind aber keinesfalls repräsentativ. Auch sollte man sich nicht abschrecken lassen von dem Wort "Anwalt". Es gibt zwar einige Ausflüge in das deutsche Rechtssystem, aber auch für Laien hervorragend erklärt und niemals verliert sich eine Geschichte im Paragraphenwust oder Anwaltsdeutsch.