Nichts ist härter als die Realität

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Diese These sah ich durch die Lektüre von „Verbrechen“ des Münchner Anwalts Ferdinand von Schirach einmal mehr bestätigt. Die Fälle, mit denen sich der Strafverteidiger im Laufe seiner Karriere befassen musste, sind manchmal kurios, traurig oder einfach grausam. Für sein Erstlingswerk gibt er nun Einblick in seinen Alltag als Anwalt und erzählt seine größten Fälle quasi aus dem Nähkästchen. Um seine Geschichten vorzutragen hat er die Gattung „Kurzgeschichte“ gewählt, was dem vorliegenden Band sehr guttut, da er wegen der Kürze der Geschichten gleich auf den Punkt kommt. Lange Schilderungen sind Schirachs Sache nicht und er schafft es, komplexeste Fälle auf 20 Seiten zu schildern, ohne dass man das Gefühl hat, es würden wichtige Komponenten fehlen.

Der Strafverteidiger erzählt nun unter anderem von einem Geschwisterpaar, bei dem die Schwester ihren Bruder aus Liebe tötet oder er beschreibt im Fall „Tanatas Teeschale“ die Story eines Einbruchs, bei dem die titeltragende Teeschale entwendet wurde, und welche grausame Rache die an dem Einbruch Beteiligten ereilt. In „Äthiopien“ gibt er dann die Geschichte eines Bankräubers zum Besten, dessen Schicksal sehr bewegend ist und der dann am Ende des Verfahrens zu seinem Lebensglück findet. All diese unfassbaren Verbrechen, 11 an der Zahl, erzählt Schirach aber sehr distanziert und lakonisch. Der Jurist schafft es, menschliche Schicksale und Geschichten in teils kürzesten Abschnitten zu entwerfen, was ich so von noch nicht vielen Kriminalautoren gelesen habe. Wie er in Interviews betont, gelingt im diese Authentizität schlicht und ergreifend dadurch, dass es nicht mehr und nicht weniger als die Wahrheit ist, die er in leicht abgeänderter Form niedergeschrieben hat.

Positiv ist zudem, dass Schirach nicht den Fehler begeht, seine Rolle angesichts der Fälle besonders herauskehren zu wollen, sondern er bleibt absolut sachlich und erwähnt die Rolle, die er während der Fälle spielte, nur in wenigen Sätzen. Man merkt ganz klar, dass es ihm nicht um seine eigene Person sondern um die titelgebenden Verbrechen geht.

Fazit: Selten hat mir ein Klappentext so aus der Seele gesprochen! Das Buch ist aufgrund seiner Kürze und seinem lakonischen Erzählstil sehr gelungen und bleibt mir nachdrücklich im Gedächtnis. Es ist wieder ein Beweis dafür, dass die spannendsten Geschichten noch immer das Leben schreibt!