facettenreicher Schreibstil, leider keine Botschaft

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thrilltastisch Avatar

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Eine junge Frau packt ihre Tagebücher in einen Rucksack und verlässt ihren Ehemann. Sie waren immer das absolute Traumpaar, doch jetzt fühlt sie sich eingeengt, was ist nur auf einmal los? Nach und nach decken die Tagebucheinträge von Bregje die Liebes- und Lebensgeschichte der beiden auf.
Die Handlung wird nicht chronologisch erzählt, sondern springt von Bregjes Kindheit an bis zum aktuellen Geschehen wild hin und her, was meinen Lesefluss aber nicht gestört hat. Zur Spannung beigetragen hat es allerdings auch nicht. Die Geschichte konnte mich leider überhaupt nicht packen. "Verlangen" wäre ein gutes Buch, wäre es eine Novelle, denn der Schreibstil von Bregje Hofstede ist unglaublich vielfältig. Sie findet oft bemerkenswerte Metaphern und baut eine tolle Atmosphäre auf, dann wieder wählt sie eher schlichte Worte und wird schon fast vulgär. Die ersten 100 Seiten fand ich noch äußerst lesenswert, daber dann kam Langeweile auf. Es warteten aber noch über 300 relativ inhaltsleere Seiten. Nach dem ersten Drittel schließt sich zwar der Kreis der bruchstückhaften Erzählungen nach und nach aber die Autorin ergeht sich zu viel in der Beschreibung unwichtiger Szenen oder sogar unangebrachter Details (beispielsweise beschreibt sie ihren Toilettengang sehr detailliert). Sie reflektiert unentwegt, kommt aber zu keiner finalen Erkenntnis, es fehlt die Pointe. Der Roman suggeriert eine Art Selbstfindung der Protagonistin, davon konnte ich aber nichts erkennen.
Für mich blieb Bregje unnachvollziehbar, obwohl das ganze Werk aus einem Blick in ihr Leben und ihr Innerstes besteht. Schon die Tatsache, dass Sie sich wochenlang in Hotels und Wohnungen einmietet und im vollen Bewusstsein, dass ihr Mann auf ihre Rückkehr hofft, kein klares Signal in seine Richtung setzt, kann ich bei einer Frau Ihres Alters schwer nachvollziehen.
Das Buch liest sich wie eine Art Selbsttherapie oder Rechtfertigung der Autorin, ohne eine Moral der Geschicht, aus der sie selbst oder der Leser etwas für sich ziehen kann. Wie viel wirklich autobiographisch ist, weiß ich nicht.
Ein wunderschönes, fesselndes Cover, doch leider ist mir zuwenig dahinter. Zwei Sterne vergebe ich für das große Potential der Autorin, die aus ihrem facettenreichen Schreibstil viel machen könnte. Wer viel wert auf den Stil und weniger auf den Inhalt legt, könnte mit "Verlangen" vielleicht etwas anfangen.