ungeschont ehrlich und authentisch

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Bregje Hofstede sorgt von Anfang an für Spannung, indem sie ihre Protagonistin nach sich selbst benannt hat. Verwirrt musste ich mich immer wieder fragen, ob die Autorin ihre eigene Geschichte aufgeschrieben hat oder ob es sich um eine fiktive Geschichte handelt.

Wir begleiten Breg, die Protagonistin, auf dem Weg ihrer Selbstfindung. 40 Tage lang lauschen wir ihren Gedanken, vertiefen uns in vergangene Tagebucheinträge und versuchen herauszufinden, wer diese Bregje ist. Ich konnte nicht anders als einen Vergleich zu „Marianengraben“ zu ziehen, da der Jetzt-Teil des Buchs immer wieder in den „Du-Stil“ fällt. Zum Beispiel:

„𝘋𝘶 𝘶𝘯𝘥 𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘣𝘦𝘯 𝘧𝘢𝘴𝘵 𝘵𝘢̈𝘨𝘭𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘪𝘦𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘯 𝘞𝘰𝘳𝘵𝘦 𝘸𝘪𝘦𝘥𝘦𝘳𝘩𝘰𝘭𝘵, 𝘸𝘪𝘦 𝘦𝘪𝘯 𝘎𝘦𝘣𝘦𝘵 𝘰𝘥𝘦𝘳 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘉𝘦𝘴𝘤𝘩𝘸𝘰̈𝘳𝘶𝘯𝘨 (𝘐𝘤𝘩 𝘭𝘪𝘦𝘣𝘦 𝘥𝘪𝘤𝘩, 𝘋𝘶 𝘣𝘪𝘴𝘵 𝘴𝘰 𝘴𝘤𝘩𝘰̈𝘯), 𝘴𝘰𝘥𝘢𝘴𝘴 𝘶𝘯𝘴𝘦𝘳𝘦 𝘚𝘱𝘳𝘢𝘤𝘩𝘦 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘢𝘴𝘺𝘮𝘮𝘦𝘵𝘳𝘪𝘴𝘤𝘩 𝘢𝘣𝘯𝘶𝘵𝘻𝘵𝘦: 𝘞𝘪𝘦 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘚𝘬𝘶𝘭𝘱𝘵𝘶𝘳, 𝘥𝘪𝘦 𝘥𝘰𝘳𝘵 𝘢𝘯𝘧𝘢̈𝘯𝘨𝘵 𝘻𝘶 𝘨𝘭𝘢̈𝘯𝘻𝘦𝘯, 𝘸𝘰 𝘴𝘪𝘦 𝘣𝘦𝘴𝘰𝘯𝘥𝘦𝘳𝘴 𝘰𝘧𝘵 𝘣𝘦𝘳𝘶̈𝘩𝘳𝘵 𝘸𝘪𝘳𝘥 […].“ (𝘚. 143)

Hier sieht man – ähnlich wie es bei „Marianengraben“ mit Paula und ihrem verstorbenen Bruder war – wie eng und unzertrennlich die Bindung zwischen Breg und Luc ist. Selbst in ihren Monologen und in ihrer Einsamkeit spricht sie immer in „wir“-Form. Das eigene Kennenlernen funktioniert nur in Abgrenzung zu einer anderen Person. Breg spürt, wie stark die Einengung in der Beziehung fortgeschritten ist, sodass sie den Bezug zu sich selbst verloren hat. Sie flieht vor sich selbst, vor dem Dunklen in ihr, vor ihren Fehlern. Ihre freimütigen, schonungslosen Tagebucheinträge haben mir gezeigt, wer Bregje ist. Zum Beispiel:

„𝘔𝘢𝘯𝘤𝘩𝘮𝘢𝘭 𝘩𝘢𝘣𝘦 𝘪𝘤𝘩 𝘈𝘯𝘨𝘴𝘵, 𝘥𝘢𝘴𝘴 𝘥𝘶 𝘨𝘢𝘳 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘸𝘦𝘪𝘴𝘴𝘵, 𝘸𝘦𝘳 𝘪𝘤𝘩 𝘦𝘪𝘨𝘦𝘯𝘵𝘭𝘪𝘤𝘩 𝘣𝘪𝘯. 𝘐𝘤𝘩 𝘣𝘪𝘯 𝘴𝘤𝘩𝘰̈𝘯 𝘢𝘯𝘻𝘶𝘴𝘦𝘩𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘪𝘯𝘵𝘦𝘭𝘭𝘪𝘨𝘦𝘯𝘵, 𝘢𝘣𝘦𝘳 𝘪𝘮 𝘎𝘳𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘣𝘪𝘯 𝘪𝘤𝘩 𝘬𝘦𝘪𝘯 𝘭𝘪𝘦𝘣𝘦𝘯𝘴𝘸𝘦𝘳𝘵𝘦𝘳 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩 … 𝘕𝘶𝘳 𝘥𝘢𝘴𝘴 𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘪𝘦 𝘌𝘪𝘯𝘻𝘪𝘨𝘦 𝘣𝘪𝘯, 𝘥𝘪𝘦 𝘥𝘢𝘴 𝘸𝘦𝘪𝘴𝘴𝘵, 𝘸𝘦𝘪𝘭 𝘪𝘤𝘩 𝘥𝘪𝘦 𝘌𝘪𝘯𝘻𝘪𝘨𝘦 𝘣𝘪𝘯, 𝘥𝘪𝘦 𝘮𝘪𝘳 𝘪𝘯 𝘥𝘦𝘯 𝘒𝘰𝘱𝘧 𝘴𝘤𝘩𝘢𝘶𝘦𝘯 𝘬𝘢𝘯𝘯. 𝘐𝘊𝘏 𝘛𝘜 𝘕𝘜𝘙 𝘚𝘖 𝘈𝘓𝘚 𝘖𝘉.“ (𝘚. 274)

Je mehr Tage nach der Trennung vergehen, desto ehrlicher wird Breg sich selbst gegenüber. Stück für Stück liest sie ihre eigenen Tagebucheinträge durch und versucht zu verstehen, wie das alles so kommen konnte. Breg bleibt durchgehend negativ in ihren Gedanken, sie macht sich keine falschen Hoffnungen. Ein klassisches Happy End darf man hier nicht erwarten; so wie es im Leben einfach ist: Es geht weiter.

Hofstedes Schreibstil ist umwerfend: melancholisch-poetisch, gewählt-bildhaft und dann wieder direkt-vulgär. Dieses Buch ist mehr als Unterhaltung, es ist eine poetische Selbsterkundung. Ich bin in den Sog dieses komplexen Charakters geraten und bin sehr froh darüber.