Anspruchsvolle Spannung

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mike nelson Avatar

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Am Ende des über 800 Seiten langen und an keiner Stelle langweiligen Romans wird es dann wohl doch die Buchhändlerin... Der letzte Satz: "Jetzt wartet das wirkliche Leben." Und all die vielen Seiten vorher? Spannung und Dramatik auf hohem literarischen Niveau. Der Autor Greg Iles kann erzählen - er erweckt seine Figuren zum Leben und spinnt fatale Beziehungsmuster, welche die Protagonisten ständig aufs Neue fordern. Mit keiner der handelnden Personen meint es das Leben wirklich gut; es ereignen sich wahre Dramen und moralische Zwickmühlen; ein Thriller mit Anspruch, dessen Handlung sich bis zur letzten Seite zuspitzt. Kleine, gut in die Handlung eingebundene Exkurse über das Leben und die Liebe bereichern das Buch zusätzlich: "Der älteste menschliche Fehler ist, anzunehmen, dass wir über die Menschen, die wir lieben, alles wissen." Es ist auch ein Buch über Schuld und Verzeihen, über Entzweiung und Wiederannäherung. Es ist vor allem ein Buch über ein postmodernes Heldentum; es geht nicht mehr um den klaren Sieg des Guten über das Böse, welches beim Leser stets das wohlige Gefühl hinterlässt, dass es mit der Welt schon in Ordnung kommen wird. Dem postmodernen Helden begegnen moralische Zwickmühlen und zwingen ihn zu einem Mitspielen in einer korrupten Welt; es geht um ein Abwägen, welches sich nicht an 'entweder-oder-Kategorien' orientieren kann, sondern oft genug nur das kleinere Übel wählen muss. Den Erfolg des Helden auf ganzer Linie gibt es nicht mehr, es gibt Folgekosten und Nebenwirkungen. Postmodernes Heldentum bedeutet genau diese Ambivalenzen auszuhalten, zu handeln trotz moralischer Bedenken. Vielleicht braucht es ja eine Art 'Meta-Moral', eine Moral der Moral... weil es wohl doch nichts Richtiges im Falschen gibt!
Wer als Leser diese moralischen Konflikte der Protagonisten miterleben kann, wird am Ende reich beschenkt! UNBEDINGTE LESEEMPFEHLUNG!!!