An Mamis Hand bis in den Hörsaal

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kainundabel Avatar

Von

Der Helicopter U.S. Navy 66 rettete seinerzeit die von ihrer Rückkehr ins All heimgekehrten amerikanischen Astronauten aus dem Pazifik. Hubschrauber sind bei uns täglich im Einsatz, um Menschenleben zu retten. Wer aber rettet Jaden-San Diego und Emily-Sidney vor den lebensgefährlichen Unbilden ihres Alltags im Deutschland des 21. Jahrhunderts? Richtig, die eigenen Helikopter-Eltern! Höre ich da jemanden „Klischee“ rufen? Derjenige sollte bitte zuerst dieses Buch über die real existierenden Erziehungs- und Ernährungs-Taliban lesen. Zum Glück ist die Zahl der so genannten Helikopter-Eltern (noch) relativ gering. Sie aber kreisen mit enormer Intensität über ihrem gehelikopterten Premiumkind. Vom prenatalen Zustand, über Kita, Schule, Uni bis hin zum Vorstellungsgespräch gilt: Mama und Papa sind immer dabei, halten ihren Hasis und Schatzis geflissentlich das zitternde Händchen und nerven penetrant Mit-Eltern, Erzieher, Lehrer, Professoren, Ausbilder. Sie schreiben ihnen Unterricht und Verhaltensweisen vor, wollen ihre Teilnahme an Klassenfahrten einklagen und drohen auch ansonsten liebend gerne mit der Justiz. Die Reaktionen beim Lesen der Anekdotensammlung über den bedauernswerten Nachwuchs an veganen Weißmehl-Zucker-Gluten-Verweigerern reicht vom haltlosen Lachen bis zum fassungslosen Kopfschütteln.
Eines ist es auf jeden Fall: ein großes Lesevergnügen! Erklärungsversuche für das Verhalten dieser Spezies von Eltern seitens des Kinder- und Jugendpsychiaters Michael Winterhoff dürfen wohl in einem solchen Buch nicht fehlen. Sie bleiben aber eher obligatorisches Anhängsel. Die Beispiele sprechen für sich und erlauben das Fazit: Jeder blamiert sein Kind, so gut er kann. Leidtragende sind die zur Lebensuntauglichkeit verzogenen Kinder, die ihren vermeintlich wohlmeinenden Über-Eltern ebenso ausgeliefert sind wie das gesamte bedauernswerte Umfeld. Neben allen Absurditäten („Nach dem Schwimmunterricht ging eine Mutter mit ihrem 14-jährigen Sohn in die Umkleidekabine, um ihm beim Anziehen zu helfen“) kann der Leser auch noch etwas lernen. Oder haben Sie gewusst, was „Kiss-and-Go-Zonen“ sind? Ich weiß es jetzt …