Tanzende Trauer

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amara5 Avatar

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"Vielleicht tanzen wir morgen" ist der zweite Roman von Ruth Hogan, die in ihrem Leben selbst schon einige Schicksalsschläge hinnehmen musste und das Buch zu schreiben begann, als sie nach einer Krebserkrankung neue Hoffnung und Lebensmut sucht.
Mascha hat vor vielen Jahren ihren Sohn Gabriel an einem Fluss verloren - wahrscheinlich ist er ertrunken, er wurde aber nie gefunden - und die Trauer sowie Schuld steckt ihr in den Knochen. Fast täglich übt sie (obwohl sie Psychologin ist) bessesen im Schwimmbad im eiskalten Wasser das Ertrinken (eine Art "selbstverschuldetes Waterboarding"), schwelgt zuhause bei einem Glas Wein in Schwermut und geht oft mit ihrem Wolfshund auf dem viktorianischen Friedhof flanieren - dort erfindet sie detailreiche biografische Geschichten über die Verstorbenen und trifft einestages Sally, eine verschrobene aber liebenswürdige Stadtstreicherin mit Hang zum Gesang, Tanz und roten Schuhen. Sally und noch weitere gute Freunde sowie eine Liebe holen sie aus ihrer Erstarrung und des Nicht-Loskönnens heraus - und Mascha findet sich selbst wieder. Es gibt noch einen zweiten Erzählstrang über Alice und ihren Sohn Mattie - das fand ich anfangs verwirrend, doch am Ende laufen diese Leben zusammen.
"Vielleicht tanzen wir morgen" ist ein Buch über das Zulassen von Hilfe, die Heilkraft von Freund- und Gemeinschaft und das Auskosten des Lebens - trotz aller Tragödien. Und ist ein sehr melancholisches Buch geworden, das hier und da mit lebendig-gefühlvollem Sprachwitz Hoffnung aufblitzen lässt. An mancher Stelle fand ich es leider etwas langatmig und ich konnte die Charaktere nicht richtig fassen / nachvollziehen. Ich hätte mir mehr Tiefgang und weniger Schwermut gewünscht. Und an mancher Stelle ist der Erzählstrang sehr sprunghaft. Aber so ist auch die Trauer, wie es die Autorin passend beschreibt: „Trauer ist keine lineare Sache. Und an manchen Tagen habe ich immer noch das Gefühl, als sei meine Welt wie ein Flickenteppich, der nicht genäht wird.“