Realistisch und fundiert

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Amanda ist Polizistin und Unterhändlerin für die schwedische Polizei in Afghanistan. Hier soll sie nicht nur dabei helfen, afghanische Sicherheitskräfte auszubilden, sie ist auch gefragt, als ein schwedisches Diplomatenpaar in Kabul entführt wird. Nicht nur ist sie gerade vor Ort, sie ist auch das Beste, was Schweden in dieser Hinsicht zu bieten hat.

Amandas Kollege Bill Ekman koordiniert ihren Einsatz von Stockholm aus und stellt schnell fest, dass der Mordfall, in dem er gerade ermittelt, ebenfalls mit der schwedischen Botschaft in Kabul zu tun hat. Der Ermordete war Mitarbeiter des Außenministeriums und arbeitete bis vor kurzem noch Kabul. Im Gespräch mit dem schwedischen Botschafter wird schnell klar, dass die beiden Fälle im Zusammenhang stehen, denn Botschafter Leijonhufvud wird erpresst. Alles muss nun schnell gehen, in wenigen Tagen wird eine afghanische Regierungsdelegation nach Schweden reisen und man muss Erfolge vermelden können – m besten in Zusammenarbeit der beiden Länder. Doch warum sind die afghanische Einsatztruppen immer schneller?

Dieser erste Thriller der schwedischen Autorin Anna Tell hat mich sofort fasziniert, denn sie weiß aus beruflicher Erfahrung, worüber sie schreibt. Sie ist selbst Kriminalkommissarin und Unterhändlerin und verfügt über 20 Jahre Polizei- und Militärerfahrung, was man dem Buch eindeutig anmerkt. Die Szenen sind sehr realistisch und erschreckend nachvollziehbar.

Anna Tell nutzt unterschiedliche Erzählstränge, wobei die beiden Hauptstränge Amanda und Bill folgen. Kleinere Auftritte beginnen oft anonym, wobei sich schnell herausstellt, um wen es gerade geht. Faszinierend und eher ungewöhnlich ist das Bild, dass die Autorin von ihrer Protagonistin Amanda zeichnet. Eine starke Frau, die das Wohl der Allgemeinheit über ihr eigenes stellt, sich für andere in Gefahr begibt und vor allem vor dem Hintergrund einer männerdominierten Gesellschaft zeigt, dass ihre Fähigkeiten geschlechtsunabhängig sind.

Interessant ist das Bild, dass Anna Tell von dem zerrissenen, kriegsgebeutelten Land Afghanistan zeichnet. Die Gefahr für die ausländischen Kräfte ist immer und überall spürbar und man fragt sich, wie lange man es mit dieser Bedrohung aushalten kann. So suchen auch die Angehörigen der schwedischen Botschaft nach Möglichkeiten, Normalität zu finden, doch ist dies kaum möglich.
Spannend fand ich auch das Verhältnis der Politiker zu den koordinierenden und vor Ort agierenden Einsatzkräften. Hier prallen immer wieder Welten aufeinander und man ist fassungslos angesichts der Scheuklappen, die da aufgesetzt werden.

Die kleinen Ausflüge in das Privatleben von Amanda, die eine Beziehung zu einem verheirateten Mann hat und das von Bill, dessen Ehe unter der Last des Alkohols zu zerbrechen droht, sind dezent und verleihen den beiden Protagonisten mehr Leben. Auch wie sie am Ende die Probleme jeweils angehen, fand ich sehr angenehm, so dass es spannend sein könnte, wie sich dies im Verlauf der weiteren Bände fortsetzen wird.

„Vier Tage in Kabul“ ist ein packender Roman, wobei ich die Bezeichnung Thriller nicht ganz so passend finde. Zwar ist das Buch spannend, aber nicht so, das man völlig gefesselt und gebannt ist. So empfand ich den Erzählstil eher als sachlich. Auch habe ich trotz der authentischen, angenehmen Protagonisten keine besondere Beziehung zu ihnen aufbauen können. Die Dialoge sind sehr realistisch und weisen eine hohe Sachkenntnis auf.

© Tintenhain