Vier Tage in Kabul

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rauscheengelsche Avatar

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Um lokale Sicherheitskräfte auszubilden ist die schwedische Kommissarin Amanda Lund für einige Zeit in Afghanistan stationiert. Als ein Diplomatenpaar verschwindet, soll sie sich darum kümmern. Der schwedische Botschafter ist zunächst nur widerwillig kooperativ, muss dann aber einräumen, dass er erpresst wird: ein Bild, das ihn in indiskreter Situation mit zwei Männern zeigt, macht ihn angreifbar. Doch statt die Forderung, Heroin über den Dienstweg nach Schweden zu versenden, zu befolgen, hat er selbiges vernichtet. Ein dummer Fehler wie nun scheint. Doch als auch in Stockholm ein Mitarbeiter des Außenministeriums ermordet aufgefunden wird und immer noch keine Lösegeldforderung für die beiden Diplomaten eingegangen ist, wirft der Fall mehr und mehr Fragen auf. Dass ein Staatsbesuch ansteht, um die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Länder zu feiern, hilft Amanda auch nicht gerade. Die Zeit läuft davon, sie soll schleunigst Ergebnisse liefern und ist dabei selbst in größter Gefahr.

Die Autorin verfügt selbst über fundierte Erfahrung in der Polizeiarbeit, als Politologin und Kommissarin hat sie mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung sammeln können, die sie in ihrem Debütroman verarbeiten konnte. Rausgekommen ist ein überzeugender Thriller, der kleinkriminelle Motive mit internationaler Politik verknüpft und mit einer starken Protagonistin punkten kann.

Dies ist das erste, was als eher außergewöhnlich im Genre der Politthriller auffällt: selten tummeln sich hier Frauen in entscheidenden Positionen und vor allem so nah am Kampfgeschehen. Dass Amanda ausgerechnet in einem muslimischen Land, in dem Frauen jahrzehntelang gnadenlos unterdrückt wurden, das Kommando innehat, erstaunt umso mehr. Aber sie zeigt geschickt, dass das Geschlecht zweitrangig ist und für ihre Aufgabe keinerlei Rolle spielt: sie muss rasch Puzzlesteine in Verbindung bringen können, schnell Entscheidungen treffen und sich auch gegen starke Gegner durchsetzen. Dennoch verliert sie zu keinem Zeitpunkt ihre feminine Seite, was die Autorin durch einen interessanten Aspekt einbaut, der jedoch die starke Frau auch ein Stück weit wieder zurück in die Realität wirft, in der Frauen doch häufig genug hintenanstehen müssen.

Der fall selbst ist komplex und vielschichtig, wird aber glaubwürdig und sauber gelöst, so dass keine losen Fäden übrigbleiben. Thematisch aktuell hat man keine Zweifel daran, dass dies real genau so auch geschehen könnte. Die kurzen Kapitel mit den häufigen Ortswechseln tragen zu dem gefühlt hohen Tempo der Handlung bei. Ein gelungener Auftakt, der neugierig macht auf weitere Romane der Reihe. Mit Anna Tell hat Schweden offenkundig eine weitere brillante Autorin im Spannungsgenre zu bieten.