„Der Stamm der nichtjüdischen Juden“

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Jude sein oder nicht sein, darum dreht sich das Nachkriegsleben der Familie Rosenbaum. Bereits auf der ersten Seite des Buchs lernen wir die Familie anhand des gezeichneten Stammbaums kennen. Die Familie ist intellektuell, wissenschaftsorientiert und liebt die Musik Gustav Mahlers. Das Gesamtbild zur Geschichte entwickelt sich aus den beiden Erzählebenen um die Protagonisten, Viktor, geboren 1908 und Geertje. geboren 1975. Dabei beginnt Viktors Erzählung zu Zeiten des 1. Weltkriegs.
Die Rosenbaums leben ein 'leichtes Jüdischsein', und empfinden jüdisch als Zitat:„anhaftendes Geheimnis, angeborene Abweichung, zusätzlichen Makel“. Geertjes Mutter reagiert bereits bei geringen jüdischen Anzeichen ihrer Umgebung mit Ablehnung und doch fordert ihre Tochter die Auseinandersetzung damit vehement ein. Bereits als Kind begibt sich Geertje auf Spurensuche zur familiären Vergangenheit. So lernt sie zunächst aus Büchern das Jüdischsein und die Schikanen der Nazis kennen. Mit der Volljährigkeit schließt sie sich einer jüdischen Gemeinde an und lernt erst dort jüdische Bräuche und jüdisches Leben kennen -der Lesende erhält Hilfen zu den beschriebenen Begriffen im Glossar am Ende des Buches. Mit Geertjes Recherchen zur Familiengeschichte wird die Familie nach und nach mit den dunklen Schatten der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Eine wesentliche Rolle spielte dabei Viktor, das scheinbar schwarze Schaf der Familie, ein Schlitzohr, Schwindler, Weiberheld. Viktor und sein Freund Bubi betreiben allerhand halbseidene Geschäfte. Doch findet Viktor meist eine gute Lösung, um Schwierigkeiten zu umgehen. Als jedoch die Nazis in Österreich einrücken wird die Bedrohung für die Familie von Tag zu Tag größer.
Judith Fantos Schreibstil hat mich begeistert und das Buch verschlingen lassen. In lautmalerischer Sprache charakterisiert sie die Familienmitglieder, schildert Orte und Ereignisse bildhaft. Gerne folgte ich den Tönen von Bubis Klavierspiels durch das Fenster auf die Straßen und Plätze Wiens und den Erinnerungen an zukünftig stattfindende Ereignisse der österreichischen Nazi-Geschichte.
Für mich war das Buch von Seite eins an ein Leseerlebnis um eine beeindruckende Familiengeschichte, das ich nicht missen möchte.