Die Suche nach Identität

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silke0301 Avatar

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Judith Fanto berichtet in ihrem Roman "Viktor" von zwei außergewöhnlichen Charakteren, die aus dem Rahmen der familiären Normen und Werte zu fallen scheinen. Wir lernen die Wiener Familie Rosenbaum kennen, eine reiche Dynastie, und begleiten sie durch den zweiten Weltkrieg über die Flucht nach Belgien bis in ihr neues Leben in den Niederlanden der 90er Jahre. Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Zum einen lernen wir Geertje kennen, die auf der Suche nach ihrer eigenen Identität der Familiengeschichte - und damit der Geschichte vieler jüdischer Familien des letzten Jahrhunderts - auf den Grund gehen möchte. Zum anderen erzählt der Roman von ihrem Onkel Viktor, der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gelebt hat und dessen wahrer Charakter und dessen Stärke sich erst im Laufe der Zeit offenbart als er das Schicksal der Familie maßgeblich beeinflusst.

Dies ist ein ergreifender und lehrreicher Roman nicht nur über die Verfolgung der Juden im zweiten Weltkrieg, sondern und insbesondere auch über die Nachwirkungen dieser Verfolgung auf die nächsten Generationen. Die Autorin beschreibt sehr plastisch das Leid, die Schuldgefühle und Zweifel, die das Leben der Familien prägen. Sie ergründet dabei die Frage, was das alles für die Identitätsfindung der nächsten Generation bedeutet und welche Auswirkungen es auf den jüdischen Glauben hat.

Der Roman ist schön geschrieben, die Charaktere sehr plastisch und sympathisch gezeichnet. Zeitweise konnte ich jedoch das Verhalten und die teilweise recht drastischen emotionalen Reaktionen von Geertje nicht nachvollziehen, so dass sie mir ein Stück weit fremd geblieben ist.

Insgesamt ist dies aber ein wunderbarer, bereichernder Roman, der zum Nachdenken anregt.