Ein wundervoller Familienroman

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"Viktor" von Judith Fanto ist ein wunderbar einfühlsamer Familienroman mit historischem Erzählstrang, der über das Jüdischsein in den 30er und den 90er Jahren erzählt.

== INHALT ==
Geertje lebt und studiert in den Niederlanden, eingebunden in das Netz ihrer Familie, die jüdisch ist, aber nicht wirklich jüdisch lebt. Nur im gemeinsamen Speisen äußerst sich die religiöse Tradition der Famile. Ihre Großeltern sprechen nur ungerne über die Zeit des Krieges und obwohl Geertje weiß, dass ihre Familie vor den Nationalsozialisten nach Belgien floh und dort untertauchte, liegt ein großer Teil ihrer Familiengeschichte im Dunkeln. Als sie beginnt, sich mehr mit der Religion ihrer Familie auseinanderzusetzen, merkt sie, dass sie ihre jüdischen Wurzeln nicht länger verstecken möchte. Sie ändert ihren Namen, heißt von nun an Judith und tritt ihrer lokalen Gemeinde bei. Je tiefer sie in das Judentum eintaucht, desto mehr lernt sie über ihre Familie und deren bewegt Geschichte.

Deren Dreh- und Angelpunkt ist der junge Viktor, der Bruder von Judiths Großvater. Er lebt in Wien das Leben eines Junggesellen, umgeben von Frauen, krummen Geschäften und der Aura eines Charmeurs. Doch er ist auch eine gute Seele, hilfreich und aufgeweckt. Der zweite Erzählstrang des Romans begleitet Viktor in seinem Wiener Alltag und unter der Repression der Nationalsozialisten.

== STIL ==
Judith Fantos Erzählstil passt ausgezeichnet zu ihrer Geschichte und verschafft dem Leser ein fließendes und berührendes Leseerlebnis. Obwohl die Sprache einfach und flüssig zu lesen ist, ist sie voller kleiner Poesien. Besonders hervorzuheben ist ihre Beschreibung jüdischen Lebens und Tradition, die dem Leser informativ aber ohne zu Belehren einen Einblick in das Leben einer jüdischen Familie gibt.

== MEINUNG ==
Ich habe "Viktor" von Judith Fanto mit Freude gelesen. Anders als in vielen anderen historischen Romanen mit modernem und vergangenem Erzählstrang wird hier auch im modernen Erzählstrang eine bedeutungsvolle Geschichte erzählt, die auch für sich genommen interresant ist. Dabei geht es angenehmerweise nicht um Liebe und dramatisierte Familiengeheimnisse, sondern um die Frage nach Identität, Lebenssinn und der Bedeutung des modernen Judentums. Gleichzeitig ist Viktors Geschichte bewegend und gefühlvoll. Sie ist nicht auf Grauen und Erschaudern hinsichtlich der Judenverfolgung der Nationalsozialisten ausgelegt, sondern auf Familie, Freundschaft und Verantwortung. Aus der Verbindung dieser beiden Erzählstränge entsteht ein Mehrwert, der dem Leser nicht zuletzt vor Augen führt, dass das Trauma des Holocaust auch in der jüngsten Generation wirkt und ganze Familiengeschichten entwurzelte.

Insgesamt ist dieses Buch wirklich eine große Empfehlung wert, vor allem für historisch oder religiös entsprechend interessierte Leser. Von mir gibt es fünf Sterne und Vorfreude auf weitere Bücher der Autorin, so diese denn geplant sein sollten.