geerbte Identität

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Das Cover: Schlicht und hübsch, aber hat nur bedingt etwas mit dem Buch zu tun.

Die Geschichte: Die Familiengeschichte einer jüdischen Familie. Wie kam es, dass die Familie der in den Niederlanden lebenden Geertje/Judith aus Wien dorthin kam? Zwei Geschichten, eine Familie. Geertje in den 80er/90er Jahren und ihr Großvater und sein Bruder Viktor in den Vorkriegs- und ersten Kriegsjahren. Aber Viktor, der lebt nicht mehr, genauso wie viele andere Mitglieder der Familie, die aber in den Geschichten und Erinnerungen noch da sind.

Die Charaktere: Geertje, die sich im Laufe des Buches in Judith umbenennt, geht auf Spurensuche ihrer jüdischen Identität. Denn eigentlich ist ihre Familie gar nicht mehr praktizierend-jüdisch. Sie gehören sozusagen dem 13. Stamm an. Also dem, den es gar nicht gibt, weil es nur 12 Stämme Israels gibt. Es ist die Geschichte der Autorin selbst, die sie spannend niederschreibt. So erfährt man mit ihr, wie sie auch immer weitere Teile der Familiengeschichte entdeckt.
Viktor ist der Protagonist der Vor- und Kriegsjahre. Er wird in seiner Familie kritisch gesehen, weil er seinem eigenen Kopf folgt, oft auch an Konventionen und Regeln vorbei. Die Familiengeschichte, die aus Erzählungen und Briefen und gefundenen Dokumenten zusammengetragen wurde, ist sehr authentisch. Man könnte fast meinen, selbst in Wien dabei gewesen zu sein.
Beide Zeitlinien werden wunderbar miteinander verknüpft.

Die Sprache: Einfach wunderschön!

Leseempfehlung: Jede*r, der*die gute Literatur mag, sollte das Buch lesen. Und alle, die Interesse daran haben, der jüdischen Identität nachzuspüren. Wer ahnt auch nur, wie es ist, aus einer jüdischen Familie zu stammen und wie es ist, mit den Traumata umzugehen, die die Verfolgung hinterlassen hat, auch noch in der 2. Nachkriegsgeneration. Es ist ein nicht plötzlich auftretendes Trauma. Auch vor dem 2. WK wurden jüdische Menschen schon anders betrachtet. So kann man in der Erzählung dazu verfolgen, die sich manches mit der Zeit schleichend verschlimmert hat und wie vielleicht auch Menschen damals es erlebt haben könnten.
Aber Vorsicht: Natürlich sind die Erfahrungen und Erlebnisse aus der Zeit, die erzählt werden, nur Mutmaßungen der Autorin. Kein Gespräch davon, wird 1 zu 1 so stattgefunden haben.