Identität, wie findet man sie?

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chris'books Avatar

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<< "Meine eigene Mutter fühlt sich zurückgesetzt, weil ein Rabbiner nicht glaubt, dass sie jüdisch ist. Haha!" Meine Mutter fegte ein paar nicht vorhandene Krümel vom Tisch. "Ich fühle mich dadurch nicht zurückgesetzt. Es regt mich nur auf, wenn jemand meint, bestimmen zu können, ob ich Jüdin bin oder nicht. Ob ich das sein will, bestimme immer noch ich selbst!" >>(Seite 144 Mitte)
In diesem Zitat steckt ziemlich viel von dem, um das es in dem biographischen Roman von Judith Fanto geht. Dieses Buch erzählt etwas über Identität, etwas über Familie, etwas über Geschichte, etwas über Musik und vieles mehr. Fanto gelingt es mit ihrem Stil, schwere Kost mit einer gewissen Leichtigkeit und Humor daherkommen zu lassen, was das Buch umso intensiver macht. Und was vermutlich auch eher Betrtoffene machen dürfen.
Was mich als erstes für das Buch eingenommen hatte, war die doch eher ungewöhnliche Zeiteinteilung nach Mahler - in Fantos Familie wurden Ereignisse hauptsächlich nach dem Schaffen Gustav Mahlers datiert. Allein damit schafft sie es, dem Text eine gewissen Leichtigkeit zu geben, die bei dem Thema Judentum im letzten Jahrhundert nicht unbedingt gegeben ist. Hinzu kommt ein eingängiger Schreibstil, der es leicht macht, den Text aufmerksam zu lesen. Und Aufmerksamkeit ist durchaus vonnöten, denn es gibt viele Personen - wie das bei Familie eben so ist mit Urgroßeltern, Großeltern, Geschwistern, Tanten, Onkel usw.. Und wegen der zwei Zeitstränge, in denen das Buch erzählt wird. Hier tat ich mir anfangs schwer, die einzelnen Kapitel entweder Judith oder Viktor zuzuordnen. Aber nachdem ich mich in das Buch eingefunden hatte, war auch dies kein Problem mehr.
Was mich jedoch etwas ratlos lässt, ist die Frage, wie es zu dem Cover gekommen ist. Ich finde es für sich genommen wirklich sehr schön und einen Eyecatcher. Allerdings konnte ich keine Verbindung zum Inhalt finden. Aber das mag dann auch im Auge des Betrachters liegen.
Von mir bekommt "Viktor" die volle Punktzahl und eine eindeutige Leseempfehlung. Ach ja, wem der "Twist" am Ende des Buches zu aufgesetzt wirkt, sollte sich vergegenwärtigen, dass es sich um die autobiographische Geschichte der Autorin handelt. Womit dann wieder einmal bewiesen wäre, dass die unglaublichsten Geschichten immer noch das Leben selbst erzählt.